Am 8. April 2014 liefert Microsoft ja zum letzten Mal Updates für Windows XP aus und stellt dann den Support ein – das End of Live ist aus Sicht des Herstellers erreicht. Aber man hackt den Support für ein Produkt ab, welches einen Monat vor dem Supportende noch einen riesigen Marktanteil hat. Update: Dank eines Leserkommentars gibt es jetzt auch Statistiken für Deutschland.
Gerade bin ich bei arstechnica.com auf diesen Artikel gestoßen. Die haben offenbar mitbekommen, dass netmarketshare.com neue Daten zur Betriebssystemverteilung auf dem Desktop für Februar 2014 offen gelegt haben. Als ich die Artikelserie Windows XP-Supportende–und nun? zum End-of-Live von Windows XP geschrieben habe, lagen die Daten noch nicht vor.
(Quelle: NetMarketShare.com)
Laut der obigen NetMarketShare-Statistik vom Februar 2014 liegt Windows XP immer noch bei einem Marktanteil von 29,53 % auf Desktop-Systemen. Finde ich irgendwie erstaunlich – lag der Marktanteil von Windows XP in der Januar-Statistik für Dezember 2013 noch bei 28,98 %. Deutet darauf hin, dass die Daten starken Schwankungen unterworfen sind.
Wenn man aber statistische Effekte außer Acht lässt, gibt die NetMarketShare-Grafik doch interessante Anhaltspunkte. Windows 7 liegt immer noch bei fast 50 % Marktanteil, Linux dümelt im 1,48% Prozent, und auch Mac OSX 10.9 kommt nur auf 3,48 % und hat Windows Vista mit 3,1 % geschlagen. Microsofts neue Flagschiffe, Windows 8 und Windows 8.1, packen es immer noch gerade nur auf etwas über 10,7 % der Desktop-Rechner. Update: Beachtet auch die Benutzerkommentare.
Fazit: Momentan zieht Microsoft einer riesigen Windows XP-Installationsbasis (überschlägig sind das 450 Millionen PCs) den Stecker und vernichtet riesige Investitionswerte – oder setzt die Nutzer unkalkulierten Risiken aus. Auch wenn Microsoft juristisch auf der sicheren Seite ist, stellt sich mir die Frage, ob das unternehmerisch klug und volkswirtschaftlich sinnvoll ist. Wie heißt es aktuell in der Politik so schön: Nicht was juristisch sauber ist, sondern was auch moralisch Bestand hat, zählt. Gut, Moral ist so eine Geschichte – aber ich denke, auch ökonomisch wäre Microsoft gut beraten, da nochmals nachzudenken. Warum soll ich weiter auf diesen Hersteller setzen, der es sich leisten will, 30 % seiner Nutzerschaft zu verlieren, nur weil im Management jemand diese Entscheidung getroffen hat. Ein guter Betriebswirtschaftlicher hätte mit dieser Kundenbasis sicher ein lukratives Geschäftsmodell entwickeln können. Und wie seht ihr das?
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Hallo Herr Born,
die von Ihnen zitierten Zahlen betreffen eine weltweite Basis. Da zählen natürlich auch sehr viele PCs aus Ländern mit einer hohen Piraterie-Rate sowie weniger entwickelte Länder mit einer weniger leistungsfähigen Hardwarebasis hinein.
Bei StatCounter kann man auch ohne kostenpflichtiges Abonnement die Daten auf Länderbasis ansehen. Wenn ich da mal den Februar 2014 für Deutschland filtere, sind Sie vielleicht erstaunt, wenn Sie hören, dass Windows 8 + 8.1 zusammen mittlerweile einen größeren Marktanteil haben als Windows XP:
Win7 57,16
Win8 12,94
WinXP 11,88
MacOSX 8,7
WinVista 6,46
Linux 2,19
Other 0,67
Haben Sie die Zahlen mal aus einer Länderperspektive betrachtet?
Have fun!
Daniel Melanchthon
@Daniel Melanchthon: Danke für diese Insights, die ich noch nicht kannte. Immer wieder interessant, wer im Blog mitliest. Und nein, ich habe nicht aus Länderperspektive auf die Daten geschaut – weil es im Hinblick „wie lukrativ ist die Restinstallationsbasis für Nutzer von Zero-Day-Exploits“ wenig bringt.
Aber es gibt noch eine Statistik, leider nicht öffentlich (aber nicht geheim). Ich bin ja auch im Bereich „IT-Technik für die Zielgruppe 50 Plus“ aktiv – und es gibt da die Feierabend.de-Community (größte deutschsprachige Community in diesem Bereich). Da ich gerade mit den Betreibern eine Aktion für die Communitymitglieder vorbereite, um diese über das End-of-Life zu informieren, hat man da von den Betreibern auch mal genauer auf die Server-Statistik geschaut (Basis sind die feierabend.de-Besucher). In der Zielgruppe sind (laut mir vorliegenden Angaben) noch 25 % mit Windows XP und uralten IE-Versionen unterwegs – also mehr als doppelt so viele, wie in der StatCounter-Statikik für Deutschland ausgewiesen. Ich gehe mal nicht davon aus, dass da Senioren „Piratennester“ in D-Land existieren – wenig leistungsfähige Hardware trifft es wohl eher ;-).
Aber trotzdem ist der Kommentarbeitrag höchst interessant und wertvoll – wenn wir uns auf Deutschland fokussieren. Erstaunt hat mich der Linux-Anteil – und Windows 8.x dürfte aus meiner Sicht gerne bei 25 liegen ;-).
Ich muss – trotz der Kritik meinerseits zu Windows 8 bzw. Microsoft – sagen, dass Microsoft Windows XP sehr lange unterstützt hat, es waren ja mehr als die üblichen 10 Jahre, oder? Viele Firmen setzen noch immer auf Windows XP, wenn nicht, dann wurde vor kurzem umgestellt auf Windows 7. Macht es denn dann jetzt für Microsoft wirtschaftlich noch Sinn, Windows XP zu „flicken“ um die – ich sag jetzt mal ganz bewusst – „Virenschleuder“ im Netz sicherer zu machen? Wer schon nicht unbedingt auf Windows 8.x umsteigen will (ich kann’s gut verstehen), der soll sich eine Windows 7 Prof. Version holen, die sind mittlerweile auch nicht mehr allzu teuer. Und wenn eine Firma auf Windows XP sitzen bleibt, nur weil eine bestimmte Software nicht für Windows 7 geschrieben wird (weil dann läuft die Software wohl auch die nächsten paar Windows-Versionen), dann würde ich schleunigst nachdenken auf einen anderen Hersteller der Software zu setzen.
Ich habe Windows XP selber sehr geschätzt, bin dann aber im Jänner 2011 selber auf Windows 7 umgestiegen. Bereut habe ich es bisher nicht wirklich und ich habe trotzdem noch einige Jahre Zeit wieder auf eine andere Windows-Version umzusteigen.
@Manuel: Bezgl. der Supportdauer – das hatte ich in meiner Artikelreihe, glaube ich, thematisiert. Da ist Microsoft (verglichen mit Apple, Android, Linux) einsame Spitze! Ist mir schon bewusst. Nur mit dem „Windows 7 Professional holen“ – trifft es halt nicht so genau. Es gibt Leute, die können wegen Kompatibilität nicht wechseln, bei anderen Nutzern fehlt das Geld (ich denke nicht an Privatanwender, sondern Behörden) und andere sind aus Unkenntnis in der Bredouille.
Das Volkswirtschaftliche / Betriebswirtschaftliche hatte ich oben angerissen – auch wenn man das Supportende technisch gut und nachvollziehbar begründen kann – verstehe ich alles. Ich denke hier aber schon weiter. Momentan zieht man marketingmäßig mit „dem Internet der Dinge“ durch die Lande. Spiegele dann mal das Thema „Windows XP-Supportende nach 13 Jahren“ an der Lebenswirklichkeit, dass die technische (Basis-)Infrastruktur eines Hauses nicht nach wenigen Jahren wegen ausbleibender Updates ausgewechselt werden kann, werden die Grenzen bzw. Kosten des Fortschritts plötzlich ziemlich deutlich sichtbar. Das Internet of things ist unter diesem Blickwinkel wohl eine Totgeburt.
Mein „insitieren“ hat rein pragmatische Gründe – wenn es genügend Leute mit Windows XP bei der nächsten Malware-Welle trifft, fragt man nach der Verantwortung – und wo könnte der Finger dann hinzeigen?
Denke ich noch weiter, kommt der Betriebswirtschaftler raus: Microsoft wird Windows XP Embedded noch zwei Jahre warten müssen (ich schätze, die Codebasis des Kernels ist gleich oder fast gleich). Und Großkunden können (nach meinen Informationen) Support beauftragen. Da wäre es möglicherweise geschickt, wenn man vom Hersteller generöserweise – ohne Anerkennnung einer Rechtspflicht – auf die größten Zero-Day-Exploits mit „ungeplanten“ Windows XP-Patches „für Alle“ reagiert.
Aber ich sitze hier glücklicherweise nicht auf dem Microsoft-Management-Stuhl, sondern darf mich zur Not „um Kopf und Kragen“ bloggen ;-).
@Günter Born: Okay, das sind nachvollziehbare Argumente. Microsoft wird wohl so oder so schlecht dastehen. Wenn sie XP noch länger pflegen, dann machen sie mit neuen Produkten wohl nicht den gewünschten Erfolg, wenn sie XP aber nicht weiter pflegen, dann ist Microsoft wohl der Schuldige, wenn aufgrund von Malware alles zusammenbricht. Was also am Besten tun? Nachdem Microsoft mit dem Desaster bei Windows 8 nicht den besten Ruf hat, wäre ein erneuter schlechter Ruf nicht gerade für Microsoft fördernd. Aber nachdem man ja aus „Good Will“ die Supportdauer schon verlängert hat, war man ja schon gut genug zu dem Consumer-Kreis. Inwiefern das aber die Presse so sieht, ist eine ganz andere Frage.
Windows XP Embedded enthaelt dieselben (Binär-)Dateien wie XP.
Ebenso das auf XP SP3 basierende Windows Embedded POSReady 2009.
Dieses ist bis zum 8.4.2014 im Mainstream Support, danach weitere 5 Jahre im Extended Support, und bezieht seine Patches über Windows Update.
Der Aufwand Microsofts, diese Patches auch auf XP SP3 zu testen, ist überschaubar, ebenso ihre Verteilung über Windows Update.
Nur die Lokalisierung (POSReady 2009 gibt’s nur Englisch) wäre Mehraufwand.
Kleiner Nachtrag: Aktuell gibt es bei heise.de den Artikel Windows XP: Bundesregierung sorgt sich um Sicherheit von Geldautomaten. Dort wird eine kleine Anfrage der Linken an die Bundesregierung zum Thema gemacht. In der Antwort der Bundesregierung, die sich auf das BSI stützt, geht es aber ziemlich quer Beet. Ich bin mir da noch nicht sicher, was ich von halten soll (die Stimmungslage geht von „wat’n Bullshit“ bis „müsste man mal detaillierter betrachten“.