Lebenslinien: Muurejubbel-Podcast mit Günter Born als Gast

Kleiner Hinweis für reguläre Blog-Leser/innen – die etwas zum ‚Kopf hinter dem Auftritt von borncity.com‘ wissen wollen. Ich habe kürzlich als Gast an einem Podcast, der von drei Kollegen betrieben wird, teilgenommen. Die Folge #27 von Muurejubbel ist nun online. Es geht ein wenig über (meine) Bücher, (meine) Blogs und (mein) Computer Know-How – und auch ein Stück weit um mein Leben – ich stehe jetzt 51 Jahre im Beruf. Zeit, inne zu halten, zurück zu schauen und auch, um etwas um die Ecke zu lugen, und zu überlegen, was nun noch kommen kann.

Das Team hinter dem Podcast

Der Podcast wird von einem Team, bestehend aus Torben Blankerts (IT-Consultant, MVP, Podcaster, YouTuber), Maik Wlodarczyk (Social Media und Community Junkie, u.a. bei Dr. Windows) und Jörg Hähnle (Autorenkollege, Hausmeister von Paules PC-Forum und Windows Insider MVP) produziert.

Janz einfach Muurejubbel …

Das Ganze läuft unter dem Begriff Muurejubbel, eine Rheinländische Spezialität aus Möhren- und Kartoffeln (als Stampf serviert). Mit Muure kann ich mit meinem Moselfränkischen Idom mithalten, unter Jubbel konnte ich nichts verbuchen – aber das Internet hat weitergeholfen. So viel: In Muurejubbel kommt allerlei rein. Der Podcast ist auf dieser Webseite zu finden und enthält ein Sammelsurium an Themen.

Folge #27 – Bücher, Blogs und Computer Know-How

In Folge 27 geht es um das Thema ‘Bücher, Blogs und Computer Know-How’, letzteres ist etwas, was mich fast ein ganzes (Berufs-)Leben lang begleitet. Also war ich Gast bei diesem Podcast-Trio. Der Podcast ist bereits einige Tage online und die Ankündigung des Podcasts findet sich beispielsweise auf Twitter.

Die Inhalte der jeweiligen Folgen lassen sich in der Beschreibung zum entsprechenden Podcast nachlesen. Nachfolgend mal ein Screenshot der Folge #027, mit den Steuerelementen zur Wiedergabe des Podcasts im Browser. Die Beschreibung der Inhalte findet sich dann unterhalb dieses Blocks – man merkt, da sind einige mit Enthusiasmus dabei, die immer wieder ein ‚Muurejubbel‘ zusammen rühren.

Muurejubbel: Podcast #27 mit Gast Günter Born

Es ist mir erst jetzt, beim Schreiben dieses Blog-Beitrags aufgefallen. Die Jungs haben das sauber hingekriegt – ohne dass es vorher jemand wusste:

  • Am 1. Oktober 2020 bin ich genau 27 Jahre als Autor freiberuflich aktiv – passt also zur Folge #27.
  • Aktiv als Autor bin ich seit 35 Jahren und im Beruf seit 51 Jahren (1969 sind die Amis zum Mond geflogen und ich hab mit 14 die Lehrlingsbank gedrückt).

Eine verdammt lange Zeit – und ich meine, es wäre erst gestern gewesen, als ich den Blaumann als Lehrling erstmals tragen musste und mich auf 60 Mark Lehrlingsvergütung am Monatsende freuen durfte.

Und was es sonst in diesem Theater noch zu sagen gäbe …

Danach folgte eine Achterbahnfahrt an beruflichen Herausforderungen und Neuorientierungen: Gesellenbrief als Elektriker, zweiter Bildungsweg, Wehrdienst, und dann ein Studium der physikalischen Technik. Genial, Physik, Mathematik, Elektrotechnik, Maschinenbau, Feinwerktechnik, Kerntechnik, Materialkunde, Prüftechnik, und, und, und. Ich nenne mal den Bronstein (Mathematik), den Gerdsen (Physik) und den Dubbel (Maschinenbau) – als Nachtlektüre im Studium (außer dem Dubbel, den ich mir nicht leisten wollte, stehen die Schinken immer noch in meinem Bücherschrank).

Ich stand mal mit Korngrenzen in Stahllegierungen, Festigkeitsbestimmungen von Stählen und, und, und auf ‚Du und Du‘ – ok, das ist jetzt schamlos gelogen, die Metallurgie hat mich nicht die Bohne interessiert – Schein erworben und abgehakt, brauche ich nie wieder … bis ich im ersten Job im Flugzeugbau durch spezielle Schweißverfahren wieder mit dem Mist konfrontiert wurde. Und ja, ich habe Getriebe konstruiert, konnte Kugellager dimensionieren, Stabwerke von Brücken für Lasten berechnen, habe mit Lasern herum gemacht, und durfte mir den alten Rembrand im Rijksmuseum in Amsterdam ganz offiziell anlässlich einer studentischen Exkursion im Wahlpflichtfach ‚Börsenpraktikum‘ anschauen – wir waren vielseitig interessiert und durften im Börsenpraktikum mit 10.000 Mark Kapital, von der örtlichen Sparkasse zur Verfügung gestellt, mit Aktien zocken.

Viel interessanter war für mich aber der FORTRAN-Pflichtkurs, wo wir 1976/77 mit Lochkarten Programme erstellen und an einem Großrechner der damaligen Kernforschungsanlage Jülich als Batch laufen lassen durften. Und ich habe gleich noch im Folgesemester FORTRAN II sowie PL/1 belegt. Der Dozent hatte mir sogar den Zugang zu einem Kranz Mulby 3-Rechner der FH angeboten – absolutes Privileg – was ich aus Zeitmangel kaum nutzen konnte. Ich musste Kohle für die Familie heran schaffen, weil das Bafög für das Studium nicht reichte. Also habe ich als Elektriker gearbeitet – und weil der Meister vor Ort Einzelkämpfer war und ständig mit spinnerten, aber nicht wirtschaftlich tragbaren Ideen schwanger ging, habe ich auch Kühltürme und Abgasturbinen zusammen geschweißt. Steve Jobs und Bill Gates haben zu dieser Zeit mit PDPs oder ähnlichem herumgemacht und die Basis für Weltunternehmen gelegt.

War eine coole Zeit und ich habe die Vorlesungen (bis auf Mechanik II, aka Dynamik, was eine Durchfallquote von 80% hatte, dank Börsenpraktikum habe ich auch die Prüfung geschafft) nur so in mich rein gefressen – am Ende des 5. Semesters hatte ich alle Scheine, und konnte mich im 6. Semester auf die Diplomarbeit fokussieren (Vorlesungen hatte ich keine mehr).

Glücklicherweise habe ich auch den Exit geschafft, denn ich habe in der Diplomarbeit eine Fotodiodenzeile mit 256 Zellen untersucht – absolut heißer Scheiß im Jahr 1979. Heute in jeder Kamera, gab es damals weltweit genau 6 Stück. Mein Vorgänger war an der gestellten Aufgabe gescheitert. Die Fotodiodenzeile sollte für eine Messeinrichtung verwendet werden, um Schadstoffe in der Atmosphäre nachweisen (als Umweltinteressierter, der die Welt verändern wollte, hat mich das brennend interessiert). Problem war das Dunkelrauschen der Fotozellen. Das Budget für das Projekt war vom Vorgänger abgefackelt worden. O-Ton des Dozenten ‚Born, ich habe was für Sie, der Vorgänger ist an der Aufgabe gescheitert, Geld gibt es auch keines mehr, aber das ist was für Sie, sie können zeigen, was sie so drauf haben‘. Da es keine anderen Herausforderungen gab, ich erst im 6. Semester war und noch Bafög bekam, habe ich genickt und gedacht ‚Du hast keine Chance, mach was draus‘. In der Kernforschungsanlage Jülich hieß es von den Leuten, die die Arbeit herausgegeben hatten: ‚Born, wenn das Ding kaputt geht, ist es vorbei mit der Diplomarbeit, gibt keinen Ersatz, die NASA hat noch ein paar, aber die rücken nichts raus …‘

Das Ding ging kaputt – aber ich habe es mit einer wilden Anpassung der Steuerelektronik so weit zum Laufen gebracht, dass der Doktorand die Software umprogrammieren und ich Messdaten gewinnen konnte. Am Ende des Tages habe ich den Nachweis erbracht, dass die Aufgabenstellung mit der Technik nicht lösbar war – eine gänzlich neue Erfahrung (ich war mal wieder, im Sinne der Aufgabenstellung, gescheitert, konnte es aber als Erfolg ummünzen).

In der Diplomarbeit gab es auch den Heureka-Moment für meine Tätigkeit und meinen späteren Berufsweg. In dem Raum, wo ich mit einem Doktoranden die Messeinrichtungen und Elektronik betrieb, gab es zwei Digital Equipment PDP-Rechner. Das Teil des Doktoranden wurde noch mit Lochstreifen gefüttert. Meine PDP 11/04 hatte Diskettenlaufwerke und ich musste mit großen Augen feststellen, dass ein Rechner ein Betriebssystem brauchte, um Programme auszuführen und von Diskette ‚gebootet wurde‘. Es gab so komische Befehle wie Pip, Dir, Squeeze, Del, Copy und das Betriebssystem hieß RT 11. Ich habe die Manuals damals nur so gefressen …

Vom Dozenten gab es noch den Vorschlag, aus dem Inhalt meiner Diplomarbeit einen wissenschaftlichen Artikel in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichen. Hätte der Start zu einer Schriftsteller-Karriere werden können. Da ich aber im Schweinsgalopp im Studium unterwegs war, trat ich bereits 4 Tage nach Semesterende meinen ersten Job im Flugzeugbau an. Ich erinnere mich noch, im Arbeitsvertrag (den ich bereits Ende 5. Sememster in der Tasche hatte) die Auflage stehen hatte „muss sein Diplom nachreichen“. So fehlte mir die Gelegenheit, einen Artikel in einer Fachzeitschrift zu veröffentlichten, ich strebte neuen Ufern in der Luft- und Raumfahrtindustrie zu. Die ersten Fachveröffentlichungen mussten sechs Jahre warten.

Dann folgten – parallel zum Beruf – mehrere Semester Studium Informatik, Mathematik und Wirtschaftswissenschaften – an der Fernuni Hagen – damit es nicht langweilig wurde und ich verstand, was die Informatiker so dachten. Aber als Ingenieur mit ‚Haut und Haaren‘ folgte eine erste berufliche Tätigkeit im Flugzeugbau (ich habe dafür gesorgt, dass keine Airbusse oder Tornados vom Himmel fielen, weil nicht erkannte Materialfehler zum Zerbrechen hätten führen können). Und da stand eine PDP 11/04 in einem Prüflabor, die mich gefesselt hat. Ich habe Prüfprogramme für irgendwelche Flugzeugbauteile (z.B. Tornado-Flügelkastenabdeckung als GFK) in einem Echtzeit-Fortran (INTRAN) modifiziert, um deren Bruchfestigkeit auszuloten.

Das gesamte Umfeld – samt Prüfaufträgen an Air France Airbus-Maschinen in den Flugzeugwartungshallen, z.B. am Airport Charles de Gaulle in Paris – habe ich immer gehasst – kein anständiges Frühstück, Essen wie Gott in Frankreich war in der Kantine nicht möglich, die Betten im Hotel waren wegen Streiks des Personals selten gemacht und Du stands in kalten, zugigen Hallen in mehreren Metern Höhe und hast die Nietverbindungen der Flieger auf unsichtbare Defekte oder Mikrorissen untersucht  – war aber nicht meine Welt.

Ich brauchte neue Herausforderungen, denn ich wollte mindestens die Welt aus den Angeln heben. Gut, wenn es die Raumfahrt nicht werden konnte, musste ich halt was anderes suchen. Es folgte dann eine Tätigkeit in der Großchemie (da habe ich meine Meriten für die spätere und heutige Tätigkeit erworben, durfte ich dort doch die damals aktuellen 8080/8085 Mikroprozessoren in Steuer- und Regelungstechnik-Anlagen einsetzen und habe die Dinger bis auf Registerebene hinab kennen gelernt, Nachts in Maschinensprache geträumt und Echtzeitbetriebssysteme für unsere Goodies mit 1-2 KByte EPROM und gigantischen 1 KB RAM in Assembler, FORTAN und PL/M geschrieben). Ein CP/M-Verschnitt war mein täglicher Begleiteter an den Entwicklungsrechnern, um per In-Ciruit-Debugger auf Hardware-Ebene testen zu können. Kollegen von mir hatten einen ‚Formatter‘ für Textdateien geschrieben, der auf CP/M lief – quasi ein Wordstar-Clone. Damit haben wir die Dokumentation erstellt und formatiert.

Fußnote am Rande: Als mit einem Touch Umweltschützer gefärbt, ist die Großchemie nun nicht gerade das Mekka. Aber ich habe Rechner programmiert, die die Säurebelastung von Abwässern erfassten und für die Behörden dokumentierten – ein Novum im Umweltschutz. Ich habe Rechnersysteme für Umgebungen wie Chlor-Elektrolysen, konzipiert, wo man keine Diskette durch den Zellensaal tragen konnte, weil der Inhalt durch starke Magnetfelder gelöscht wurde. Menschen mit Herzschrittmachern hatten Betretungssverbot, mechanische Armbanduhren mussten vor Betreten der Anlagen abgelegt werden, weil die durch die Magnetfelder für immer stehen blieben. Meine Vorgänger waren an einer solchen Anlage mit der Rechnertechnik gescheitert. Ich habe mit meiner Mannschaft eine zweite Anlage mit einer kompletten Rechnertechnik automatisiert – und das Zeugs lief über 20 Jahre ‚Strich‘ (und hat nebenbei, durch die automatische Steuerung, die Umweltbelastung reduziert). Habe im Sport zufällig von einem Betriebsangehörigen erfahren, dass die Anlage aus Umweltschutzgründen nach mehr als 2 Jahrzehnten still gelegt wurde. Man ging auf Membranzellen für die Chlor-Erzeugung über – eine Technologie, die ich 25 Jahre vorher schon mit Rechnertechnik in Pilotanlagen ausgestattet und erste Messtechnik-Programme zur Datenerfassung erstellt hatte. Lehre aus diesen Episoden: Das Leben fällt dir immer wieder mit dem gleichen Zeugs vor die Füße – das wirst Du nie los. Meine Schlussfolgerung: Wenn das so ist, mach nur was, für das Du absolut brennst.

Als ich das Fernstudium in Hagen so um das Jahr 1987 an den Nagel gehängt habe, wollte ich schnell reich und berühmt werden und habe dazu das erste Computer-Buch geschrieben. Im Jahr 1993 folgte der Exit als Ingenieur und Leiter eines Software-Entwicklungsbereichs, um dann als freiberuflicher IT-Autor zu ackern. Später bin ich dann noch nichtsnutziger Blogger geworden – Du sollst keine Chefs über dir haben, die dich ausbremsen könnten.

Auf diesem Weg habe ich eine breite Pflugspur durch’s Leben gezogen und unglaubliches erlebt, von einer versiebten Zwischenprüfung im Elektrohandwerk (theoretisch 1, praktisch durchgefallen, hab’s mit dem Gesellenstück mehr als wett gemacht, war am Ende des Tages Landessieger in Rheinland-Pfalz) über Arbeitsaufenthalte in Japan und Thailand bis zu ‚heftigen Kollisionen mit einer Klitsche namens Microsoft‘, die ich 1984 kennen lernte, als der erste IBM PC/XT  in Europa mit irgend einem IBM-DOS 1.0x und fotokopierter Microsoft-Dokumentation (die haben die Handbücher nicht fertig bekommen) über meinen Schreibtisch ging.

Nach dem ersten Buch im Jahr 1988 über Amstrads Locomotive-Basic hat mich das Schreibvirus gepackt. So ca. 250 bis 300 IT-Bücher später (ich habe nie durchgezählt, weiß auch nicht, wie viele Millionen Exemplare verkauft wurden) wird es langsam Zeit für den Exit – ich habe ja noch das Privileg, als nichtsnutziger Blogger (übrigens ’schönstes Amt neben Papst‘ – wusste schon SPD-Vorsitzender Franz Müntefehring, obwohl der von Bloggen m.W. keine Ahnung hat) über Gott und die Welt ranten zu können – quasi so, wie Waldorf und Statler in der Muppet-Show.

Da könnte ich über Stunden aus dem Nähkästchen plaudern und einige Episoden oder Winkelzüge ausbreiten. Manche Leute sagen ‚in meinem Leben passiert nix‘ – kann ich nicht behaupten, und im Rückblick sehe ich, wie gelegentlich Weltpolitik bis in die Schreibstube durchschlug.

Dass ich beispielsweise ‚Contributing-Autor‘ für den 1.000 Seiten Microsoft Schinken ‚Inside Microsoft Windows 98′ (deutsch: Windows 98 – die Technische Referenz‘ war, hatte ich hier im Blog schon mal erwähnt. Das gesamte Kapitel zur Registry stammt aus meiner Feder und war einem Buch entnommen, welches ich direkt bei Microsoft Press USA in Englisch veröffentlicht hatte. Da die Windows Entwickler selbst keine Dokumentation auf die Reihe brachten, haben die mein Buch damals intern als Referenz genutzt und später gefragt, ob sie den Inhalt als ‚Steinbruch für den Inside-Titel‘ nehmen können. Junge, Junge, so was erlebst Du auch nicht alle Tage (hat mich und meine Meinung über bestimmte Firmen aber geprägt, wobei ich über manche Insights den Mantel des Schweigens ausbreite), und ich habe natürlich zugestimmt. Hat zwar keine Zusatzkohle gebracht, war aber ‚Opener‘ für andere Sachen.

Ist so ähnlich wie die russische Übersetzung meines Klassikers ‚Das Fileformatehandbuch‘ – da waren sogar 6.000 US $ an Einmalzahlung für den Verlag vereinbart – als Autor hätte ich ein paar Dollar bekommen. Aber das Leben würfelt – das Buch erschien in Zeiten von Perostroika, Gorbatschow wurde gestürzt und Jelzin hat die UDSSR vor einer Katastrophe bewahrt. Und dann hatte der russische Verlag plötzlich keine Devisen mehr, um den Vertrag zu bedienen. Ich habe nie einen Cent gesehen – aber am Ende des Tages habe ich ein Buchexemplar im Schrank liegen, von dessen in kyrillischer Schrift verfasstem Inhalt ich gerade mal meinen Namen lesen kann – ist ähnlich wie ein japanischer Titel zu Windows Script Host (meine Japanisch-Kenntnisse sind lausig, um nicht zu sagen ‚faktisch nicht vorhanden‘).

Zum russischen Buch fiel mir damals ein ‚jammere nicht, es hat dich nicht zu hart getroffen‘. Ich hatte nämlich den Läufer Karl Fleschen im Hinterkopf, mit dem ich nach der Lehre im Eifelstädtchen Wittlich die Schulbank gedrückt habe. Der Masterplan war ‚wir machen Fachabitur und werden ordentliche Leute, die dann so richtig die Welt aus den Angeln heben‘. Nur hatten wir leider nicht die ‚Roadblocks‘ auf dem Radar, die das Leben dir vor die Füße wirft. Karl hat es bitter getroffen – sein Highlight im sportlichen Leben sollte 1980 die Olympiade in Moskau werden – er hätte vielleicht Gold geholt. Olympia 1980 wurde vom Westen boykottiert – und Karl ist irgendwann als Kraftwerksingenieur bei einem großen Chemieunternehmen mit angeschlossenem Sportverein Bayer 04 Leverkusen gelandet. Ich konnte aus dieser Sicht die vielleicht entgangenen 2.000 Dollar für mein russisches Buch verschmerzen – und mit dem ‚die Welt aus den Angeln heben‘ hat dann irgendwie auch nie geklappt. Plötzlich hatte ich Rücken und nix ging mehr – oder es lag mal wieder ein Roadblock quer.

Als bei Microsoft 2000 die sogenannte ‚Chinese Wall‘ zwischen Windows- und Office-Entwicklung auf Grund von Wettbewerbsauflagen eingezogen wurde, habe ich das Beben gespürt. Ein 1.000 Seiten Windows Script Host Buch, verfasst als englischsprachiges Manuskript, ist nie in dieser Form erschienen – alle 6 Wochen wechselte das Lektorat bei Microsoft Press und es gab neue Zielvorgaben (ich hab das Teil drei Mal umgeschrieben). Hat bei mir den ‚Zieh die Reißleine‘-Reflex ausgelöst – ich habe nie wieder für Microsoft Press USA geschrieben – war auch gut so, da einige Monate später 9/11 das mit den Flugzeugabstürzen ins World Trade Center passierte. Danach ging mit den USA eh nix mehr, weil Homeland Security alles blockierte.

Immerhin habe ich eine US-Steuernummer und musste über Jahre jährlich ein Steuerformular zu dem Amis schicken. Auf Grund des Doppelbesteuerungsabkommens habe ich drüben immer die Einnahmen mit 0 angegeben (und in Deutschland die Steuerprüfung an der Backe gehabt). Mit der 0 für die USA, da war ich mir aber nie sicher, ob das zulässig war und ob nicht bei der Einreise in die USA die Handschellen klicken ‚Mr. Born, wir müssen da steuerlich was klären‘. Ist nämlich ziemlich komplexes Zeugs und für die deutschen Finanzbehörden hat Microsoft Deutschland mal von Arthur Anderson eine juristisch fundierte steuerliche Klarstellung in Sachen Umsatzsteuer erstellen lassen, weil der ‚Fall Born plötzlich aufpoppte‘ – ich war beim Finanzamt zwischen die Fronten geraten und sollte plötzlich Umsatzsteuer für Einnahmen in den USA zahlen. Das Dokument mit der steuerlichen Einschätzung der Unternehmensberatung hat später anderen Autoren von Microsoft Press Deutschland auch geholfen – ich musste aber die Schneise in den Dschungel schlagen.

Und so kommt es, dass ich zwar viele Jahre Microsoft ‚Most Valuable Professional‘ (MVP) bin, aber nie der Einladung (auf eigene Kosten) nach Redmond zum jährlichen MVP-Summit zu kommen, gefolgt bin. Irgendwann war bei mir die Magie ‚USA und Microsoft‘ weg – und die Erfahrungen, die irgendwelche Leute bei der Einreise in den USA machen und hinter Gittern landen, wollte ich mir ersparen. Das neue Low in der ‚Transatlantischen Beziehung‘ kann ja jeder Europäer täglich auf Twitter oder in den Nachrichten erleben.

Trotzdem: Ein wahrlich nicht langweiliges Leben (auch wenn meine Frau immer sagt ‚bei uns passiert ja nix‘), aber ich habe immer die Kurve gekriegt und neue Challenges identifiziert. Wie ich demnächst die Challenge ‚Unruhestand‘ gewuppt bekomme – keine Ahnung.

Ach ja, die Open Source-Projekte. Ich habe, es muss so 1994 gewesen sein, eine kleine 3 1/2 Zoll-Diskette in die Finger bekommen, wo ein Betriebssystem namens Linux in einer Version 0.4 oder so drauf war, was von einem jungen Finnen, Namen Linus Torvalds geschrieben worden war. Ich hab das unter UMSDOS zum Laufen gebracht, war aber nicht praktisch nutzbar. 1997 habe ich mal ganz heftig über SuSE-Linux geschrieben – Problem: Die Farbe zum Drucken der Bücher war noch nicht trocken, da lag schon eine neue SuSE-Linux-Build im Briefkasten. Nach der dritten Auflage haben wir (Verlag und Autor) die Reißleine gezogen. Im Podcast plaudere ich auch darüber und über meine heftigen Diskussionen mit dem Nachbarn über den Gartenzaun, der mit Linux Torvalds die Linux-Welt geprägt hat.

Das Projekt OpenOffice.org hat dazu geführt, dass ich mit SuSE-Press und später dem Millin-Verlag drei mal einen > 1.000 Seiten Schinken zu OpenOffice.org/Staroffice veröffentlicht habe. Das erste Manuskript wurde mit LaTex, die beiden anderen Manuskripte mit Microsoft Word geschrieben (OpenOffice.org bzw. der Writer war für ein smoothes Arbeiten unbrauchbar). Wirtschaftlich habe ich jedes Mal einige 10.000 Markscheine in den Projekten versenkt und dann die Reißleine ziehen müssen. Denn es gab ein Prinzip: Wenn Du lange von deiner Schreibe (über-)leben willst, muss die Summe der Tops immer einen Ticken größer als die Summe der Flops sein.

Hat irgendwie die letzten 27 Jahre auch immer geklappt, wenn ich auch Zeiten kenne, wo 6 Monate kein roter Heller an Einnahmen zu verbuchen war (die 18 Monate Arbeitsunfähigkeit nach meinem Sportunfall in 2015 waren sozusagen das i-Tüpfelchen in dieser Erfahrungswelt). ‚Am Ende des Tunnels gibt es immer ein Lichtchen‘, hat mir ein alter Handwerksmeister seinerzeit mal in einem Gespräch verraten – und ich hab es jedes Mal herum gerissen, mich neu erfunden und neue Projekte gestemmt. Und in meinem Büro hing (handgeschrieben) lange Jahre nachfolgender Spruch vor meinen Augen an der Pinwand – die Aussage stammt aus einem der Management-Kurse, die mir das Chemieunternehmen als damaliger Arbeitgeber angedeihen ließ.

Das Füllhorn an Lebenserfahrungen passt natürlich nicht in 1 3/4 Stunden Podcast. In Folge #27 des Muurejubbel-Podcast plaudere ich aber etwas (sozusagen Premium selected Episoden) aus meinem und über mein Leben – warum ich als ‘faule Socke’ mit Bloggen anfing, warum ich in jungen Jahren nicht aufs Gymnasium wollte und warum ein Pfarrer daran Schuld hatte. Warum ich privat nicht auf Facebook oder in Social Media vorkomme, wird auch geklärt. Warum ich kein Video-Trainer oder eine zweite Daggie Dee geworden bin, das habe ich auf Nachfrage auch verraten.

Dass ich mit bestimmten Büchern Gegenstand soziologischer Untersuchungen an Unis wurde, so dass Studenten da in Hausarbeiten mit gequält wurden, kam auch ans Tageslicht, bleibt aber eine Fußnote der Geschichte. Verbuche ich unter der Rubrik: Wenn alles schief läuft, kann ich immer noch strahlend als schlechtes Beispiel dienen, und so weiter.

Wer nicht nur Bits und Bytes im Kopf hat, kann ein wenig über den Schüsselrand hinaus ‘hören’ und vielleicht etwas fürs Leben mitnehmen. Denn es sind die Menschen, die meinen Lebensweg gekreuzt haben, die wichtig waren – nicht die Bits & Bytes (habe ich aber erst nach meinem Sportunfall, als ich ganz unten war, so richtig erkannt). Ab März 2021 soll es für mich in Rente gehen – wie es mit den Blogs weitergeht – we will see and hear. Ich zitier mal Paulchen Panther

Ansonsten hat mir der Podcast mit den Drei riesigen Spaß gemacht (und ich bin in den Redepausen nicht am Schreibtisch eingeschlafen – ich schwör) – da ich als Autor quasi seit 35 Jahren vorne in der Bütt stehe, gilt: Ist der Ruf erst ruiniert, schreibt, bloggt und schwätzt es sich gänzlich ungeniert. So 1 Stunde und 42 Minuten sollte man aber schon Zeit haben, um sich das anzutun – falls das passt, hört man sich – und dann auf jeden Fall viel Spaß.

PostScriptum: Es klingt im obigen Tweet und in obigen Zeilen an – das ist wohl ein besonderer Podcast geworden. Mir war selbst nicht so ganz klar, dass das bei herausgekommen wird – es gab für mich kein Konzept, mit dem ich rein ging. Normalerweise kommt Privates (außer dem Sportunfall in 3.2015, der ein einschneidendes Ereignis war) nicht in Social Media vor. Aber ich stehe definitiv an einem Scheidepunkt des Lebens, an dem ein langer Berufsweg langsam aber sicher zu Ende geht. Zeit, zurückzublicken und zu schauen, was gut und weniger gut gelaufen ist – aber auch zu reflektieren, wo man nach so manchem Scheitern  wieder aufgestanden ist und weiter gemacht hat.

Im Rückblick kann ich auf ein erfülltes Berufsleben zurückblicken, und auf 27 Jahre als Schreiberling, wo ich ständig ‚mit dem Bär getanzt habe‘. Eine unbeschreibliche Erfahrung, die ich, trotz gelegentlicher Nackenschläge, nicht missen möchte. Manche verfassen an so einem Punkt ihre Memoiren. Da ich seit 27 Jahren im größten Dorf der Welt, dem Internet, lebe und arbeite, blogge ich, wie die obigen Zeilen, und habe nun in einem Podcast mit gemacht ;-).

PPS: Den Musikwunsch des Gasts im Podcast hat man, glaube ich, nicht verlinkt. Das war Peter Green und sein Stück Slabo Day aus dem Jahr 1979 – die Urgesteine aus der Leserschaft, die hier im Blog noch unterwegs sind, können damit was anfangen. War damals unsere Zeit – ich habe drüben im 50+ Blog zu Peters 70. Geburtstag was gebracht. Ist das Privileg als Blogger, auch (jenseits der IT) so Spannendes wie die Musik zum Sonntag beackern zu dürfen.

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Der Muurejubble-Podcast wurde leider eingestellt. Ich habe den betreffenden Beitrag hier in den Blog übertragen.

Muurejubbel #027 – Bücher, Blogs und Computer Know-How

Zu Gast in Ausgabe 27 unseres Muurejubbel-Podcasts ist Günter Born. Bekannter Autor vieler, vieler IT-Bücher, erfolgreicher Blogger gleich mehrerer Blogs und Windows Insider MVP. Vermutlich hat jeder, der sich für Windows interessiert, auch ein Buch von Günter im Regal stehen.

Günter erzählt von seinen Tätigkeiten als Autor und Blogger wie sich diese im Laufe der Zeit verändert haben. Viele bekannte Verlage sind in den letzten Jahren vom Markt verschwunden, entstanden zum Teil neu oder wurden anderen Verlagen eingegliedert. Rund 300 Bücher unser Gast bereits geschrieben und er kennt das Geschäft wie kaum ein anderer. Er gewährt uns sehr interessante, spannende und auch private Einblicke in seine Arbeitswelt.  Wie geht es weiter, wenn er im nächsten Jahr in Rente geht? Kann er überhaupt so einfach loslassen und den Ruhestand genießen? Wie wird es mit seinen Webseiten weitergehen?

Günters Blogs finden Ihr unter https://borncity.com/. Die bekannteste Seite dürfte sicher Günters IT- und Windows Blog sein, die für viele Experten und auch für Microsoft selbst, immer wieder eine sehr wichtige Informationsquelle darstellt. Günter ist sehr vielseitig interessiert und so ist nicht nur Windows ein Thema! Er betreibt zusätzlich einen Seniorentreff 50+, einen Bücher-Blog, Japan-Blog, einen Reise-Blog und sogar einen E-Scooter-Blog.

In den Vorgesprächen hat sich Günter als Mann des geschriebenen Wortes vorgestellt. Dass Günter aber eben nicht nur schreiben, sondern auch spannend erzählen kann, davon könnt Ihr Euch nun überzeugen! Hört mal rein!

Unser Gast: Günter Born
– Günters Bücher und Webseiten: BornCity
– Facebook: https://www.facebook.com/Guenter.Born
– Windows Insider MVP

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10 Antworten zu Lebenslinien: Muurejubbel-Podcast mit Günter Born als Gast

  1. Seita sagt:

    Nice, jetzt auch mal die Stimme zu hören hinter dem Namen.
    War interessant, der Podcast.

  2. David sagt:

    Vielen Danke für die „sehr launische“ Lebensbeschreibung!
    Was toll zu lesen … und zu hören.

    Bitte weitermachen!

    mfg
    David

  3. Michael sagt:

    „… die Urgesteine aus der Leserschaft, die hier im Blog noch unterwegs sind …“

    hier und in Deinen anderen Blogs, hoffen dass es (vielleicht ein wenig eingeschränkt) weiter geht !

  4. DiWÜ sagt:

    Danke, den Podcast find ich interessant.

  5. Ärgere das Böse! sagt:

    Betreffend Peter Green.
    Ich habe heute Fleetwood Mac in Chicago im Auto laufen lassen. Seit ca. 20 Jahren war die CD in einem Gestell.
    https://www.youtube.com/watch?v=DX1UADM5QU0&list=PLYWJQi0BG3wpJeuYUFGavc62tiueOOVZ4

  6. Dekre sagt:

    Danke Günter für diesen Beitrag von Dir.
    Herzlichen Glückwunsch für diesen gelungen Artikel und den Rest.
    Obwohl ich auch schon in die Kategorie Deines andere +50-Blog gehöre, so ist es immer wieder gut. Wir können ein Bit noch von einen Byte unterscheiden und auch das erklären.

    Wenn es mit dem PC Probleme gibt, so immer erst einmal bei Born-IT nachschauen. Ist es da nicht aufgelistet, so muss es ein anders Problem sein.
    Fragen ? – Nun gut , hier der Beweis – Eine kurze Geschichte, die sich vom 10.07.2020 bis 12.07.2020 so zugetragen hat:

    # Mein Mütterlein hat Probleme mit Outlook 2010, weil sich die E-Mails nicht separat öffnen ließen. Mein Mütterlein fragte das Internet und suchte und sagte, dass es an den letzen Update für Win 10 V1909 liegt. Das habe sie gelesen und viele sagen das ist das Problem, Win10 mache Probleme.
    # Recherchieren ist angesagt. Aber von Outlook 2010 mit dem Problem steht nichts. Nur irgendwo was, dass man dann alles neu machen soll.
    # Bei Günter steht vieles zu Outlook. Das ist aber alles zu Outlook 2016. nichts zu 2010.

    FAZIT:
    Wenn was bei Günter nicht steht im Blog, so kann es nur was anderes sein!

    Und so was es auch. Mein Mütterlein wollte eine andere Maus haben. Das war es. Es ist ein Problem mit dem „Doppelklick“. Ist er zu langsam, so öffnet sich nichts. Das ist ein Problem was oft vorkommt. Das kann man verstellen und so gemacht.
    NB: Es gibt Mäuse von diversen Herstellern, welche alle sehr unterschiedlich reagieren und da ist die Grenze der Einstellung leicht erreicht.

    Ergo: Gibt es ein Problem und es steht nicht bei Günter, so ist es was anders (Hand auflegen, einmal um den PC rumlaufen, Netzstecker mal einstecken oder was sonst so mal vorkommen kann … )

  7. Sherlock sagt:

    Sehr unterhaltsam! (vor allem die Teile mit dem Frosch) :o)
    Nur Eines hat mir einen Stich versetzt: das gelobte Startmenü von Win 7. Win 7 war das einzige Windows, wegen dem man zum Fremd-Schrott-Startmenü namens „Classic Shell“ greifen musste. Auch der Windows-Explorer von Win 7 war ein Grund. Mit Win 8 und Win 10 war das glücklicherweise nicht mehr nötig.

  8. Günter Born sagt:

    Traurige Sache – im Podcast durfte ich einen Musikwunsch äußern – und ich habe Peter Green und sein 1979 (hab da gerade mein Studium abgeschlossen) erschienenen ‚Slabo Day‘ gewählt – sagt dem IT-Urgestein was. Heute ist Peter Green im Alter von nur 73 Jahren verstorben. Ein kurzer Nachruf befindet sich im 50Plus Blog. Die genialsten Köpfe treten einfach zu früh ab.

    • nomad sagt:

      stimmt.
      Aber finde „nur“ in diesen Zusammenhängen eine nicht so passende Bezeichnung. Es gab Zeiten, und die sind noch nicht sehr lange her, da galt 73 als rel. hohes Alter.
      Und wichtig(er) ist eh, was er hinterlassen hat. :)

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