Digitalisierung: Siemens-Chef für “bedingungsloses Grundeinkommen”

Die Digitalisierung wird in den kommenden Jahren die Arbeitswelt kräftig durcheinander wirbeln. Es entstehen zwar neue Arbeitsplätze, Menschen werden aber ihre angestammten Arbeitsplätze verlieren und möglicherweise zu Verlierern der digitalen Wende. Der Siemens-Chef Jo Kaeser wirbt dafür, ein bedingungsloses Grundeinkommen einzuführen, um die sozialen Folgen abzufangen.

Durch die Digitalisierung werden bis 2025 bis zu 1,5 Millionen Arbeitsplätze wegfallen und durch “andere” Arbeitsplätze ersetzt. Das prognostiziert das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit in einem aktuellen Bericht. Auf dieses Thema hatte ich kürzlich im Blog-Beitrag Wirtschaft 4.0: Folgen für Arbeitsmarkt & Ökonomie hingewiesen. Und nicht jeder Mensch, dessen Arbeitsplatz wegfällt, wird auf eine der neuen Spezialistenposten (Software-Entwickler etc.) umschulen können.

Die Digitalisierung schafft also massiv Verlierer, die sich zu einem gesellschaftlichen Problem ausweiten werden. Siemens-Chef Jo Kaeser hatte vor einiger Zeit bereits in einer Podiumsdiskussion darauf hingewiesen, dass die Digitalisierung die Mittelschicht vernichten werde. Ich habe das im Blog-Beitrag DLD: Jo Kaeser ‘Digitalisierung wird Mittelschicht vernichten’ angesprochen.

Gerade hat der SZ-Wirtschaftsgipfel der Süddeutsche Zeitung stattgefunden. Mit als Redner war Jo Kaeser, Vorstand von Siemens, eingeladen. In diesem SZ-Artikel wird Jo Kaeser so interpretiert, dass er für ein bedingungsloses Grundeinkommen eintritt, um die Folgen des digitalen Wandels abzufangen. Laut Kaeser werden einige Beschäftigte “auf der Strecke bleiben”, weil sie mit dem digitalen Wandel nicht mithalten können. Deutschland und Europa könne aber nicht auf diese Menschen warten, sondern müsse die Digitalisierung umsetzen. Daher habe die Gesellschaft sicherzustellen, dass diese Menschen versorgt seien. Kaeser geht davon aus, dass eine Art bedingungsloses Grundeinkommen unvermeidlich sein werde. Auch andere Teilnehmer des SZ-Wirtschaftsgipfels argumentieren in diese Richtung. Details finden sich im SZ-Artikel.

Ich denke, die Ansätze sind schon nicht verkehrt. Trotzdem wird es soziale Verwerfungen geben, wenn Facharbeiter aus der Mittelschicht plötzlich auf ein “Grundeinkommen” herabgesetzt werden, nur weil die Digitalisierung die Arbeitsplätze vernichtet. Oder wie seht ihr das Thema? (via)

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8 Antworten zu Digitalisierung: Siemens-Chef für “bedingungsloses Grundeinkommen”

  1. Dieter Schmitz sagt:

    Das bedingungsloses Grundeinkommen wird auf Hartz IV-Niveau liegen.

    Dafür werden die verbliebenen Noch-Arbeitsplatzinhaber sorgen. Denn diese haben ja bereits in den vergangenen Jahren ihren Hass auf die angeblich in der sozialen Hängematte liegenden Hartz IV-Empfänger ausgelebt.

    Die Noch-Arbeitsplatzinhaber waren halt so blöd, nicht von den Reichen eine gerechtere Verteilung zu fordern, sondern haben sich am Elend der Arbeitslosen ergötzt. Von daher ist es durchaus sinnvoll, dass sie jetzt einmal spüren, wie unsinnig die Solidarisierung mit den Reichen und Super-Reichen war.

    Ein weiterer Grund, warum das bedingungsloses Grundeinkommen auf Hartz IV-Niveau liegen wird, ist die Passivität der Hartz IV-Empfänger. Diese haben alles und jede Schikane der Agentur willig ertragen. DAS hat den ReGIERenden gezeigt, dass die Toleranzschwelle der Bevölkerung sehr, sehr hoch liegt.

    Allerdings frage ich mich, wie Firmen wie Mercedes oder BMW oder andere noch in Deutschland verkaufen wollen, wenn die Menschen das Geld für den Kauf von Waren nicht mehr haben.

    Aber vielleicht setzt die Industrie ja auf Indien oder China.

    Übrigens:
    Diese Diskussion erinnert mich an die Diskussion zu Beginn der 70er Jahre, als man davon träumte, dass die EDV (Computer) uns viel Arbeit abnimmt und die Arbeitszeit auf 35 Stunden pro Woche sinkt.
    Doch inzwischen sind die Deutschen auf die Neo-liberalen hereingefallen und freuen sich, wenn sie 48 Stunden, ohne Ausgleich der Überstunden, arbeiten dürfen. Schliesslich wollen zwei Autos, 4 Handys und 2 Urlaube, einer auf Malle und ein Skiurlaub, finanziert werden…

  2. Patrick sagt:

    Ich halte die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens prinzipiell ja für ganz gut, ich sehe jedoch einige Probleme, bei denen mir keine Lösung einfällt. Damit es sich überhaupt lohnt etwas neues einzuführen, müsste es merklich über dem bisherigen (Hart IV) liegen und das muss bezahlt werden und zwar so, dass nicht andere wichtige Themen wie z.B. die Renten weiter leiden. Schwere Aufgabe ohne Steuererhöhungen. Außerdem würde es neben mehr Leuten die sagen „mir reicht das, wieso arbeiten?“ auch einige Jobs geben, die durch ein höheres Grundeinkommen einfach unattraktiv werden. Oder waurm sollte ich Vollzeit arbeiten gehen für 1400€ netto im Monat, wenn ich 1200€ bedingungslos bekomme und ausschlafen kann? Ich würde es niemandem verübeln, wenn er sich für das ausschlafen entscheidet. Das sind sicher keine unlösbaren Aufgaben, aber ich denke sie benötigen unpopuläre Maßnahmen und hier würde es scheitern. Die Leute würde sich einem deutschen Populisten anschließen, welcher die Änderungen entweder zurück nimmt oder sich im „Erfolg“ der Vorgänger baden. Dies wird niemand in der aktuellen Politik riskieren wollen.

    • Rainer sagt:

      Moin Patrick,

      für die Probleme gibt es Lösungen und die sind bereits formuliert und auch zwischen Buchdeckeln publiziert! Es ist nicht einfach und bedarf einer gewaltigen, demokratischen, und von den Bürgern geführten gesellschaftlichen Debatte nebst unzähligen Abstimmungsprozessen (nicht undbedingt nur denen an der Wahlurne)!

      @Finanzierung:
      zum gegenwärtigen Zeitpunkt erhält auch (nahezu) jeder ein Einkommen; es heißt nur nicht so. Milliardäre erhalten ebenso Transfereinkommen (z.B. Zinsgewinne) wie Jugendliche in Mittelstandsfamilien (Familieneinkommen) oder Rentner…

      @Jobs die durch ein BGE unattraktiv werden:
      die bisherigen Überlegungen zum BGE gehen davon aus, dass man seinen Lohn zusätzlich zum BGE erhält. Wer mehr will geht arbeiten. Wenn sich niemand für 1.400€ in der Altenpflege oder der Müllabfuhr finden lässt müssen die Löhne signifikant angehoben werden!! Dann wird sich jemand finden.

      Und nicht vergessen: Geld ist genug da, unsere Bankenkrise etc., resultieren aus dem Umstand das zu viel Geld im System ist und dem keine realen Werte mehr entgegenstehen. Auch unsere Definition von Arbeit ist recht „eigenwillig“. Arbeit ist eine physikalische Größe aus Kraft und Weg.
      Wer sagt denn das Vorlesen im Altenheim keine entlohnungswürdige und im monetären Sinne wertvolle Tätigkeit ist?! Das haben „wir“ einfach mal so festgelegt – soetwas lässt sich auch neu bewerten.

      Solange jedoch der nächstgrößere TV, das schnellere Handy/Auto usw. „wichtige“ Themen für die Mehrheit unserer Mitbürger sind wird es noch ein weiter Weg bis zu, notwendigen, gesellschaftlichen Veränderungen. Ob an deren Ende ein BGE steht sei nun mal dahingestellt, aber bisher geht es uns noch viel zu gut!!!

      Grüße,
      Rainer

      • Patrick sagt:

        Hallo Rainer,

        danke für die ausführliche Antwort, aber ich bin noch nicht überzeugt. Wir sind uns ja einig darüber, dass es lange dauern und schwierig werden würde. Aber das angesprochene Konzept verstehe ich entweder falsch oder ist meiner Meinung nach nicht machbar. Bei geschätzt 80 Millionen Bürgern würde ein BGE von nur 100€ schon 8 Milliarden Euro pro Monat bedeuten. Nicht machbar. Also ist es doch nicht bedingungslos und nur manche bekommen es. Wenn jetzt eine ungelernte Arbeitskraft mit BGE z.B. auf 2.000€ netto kommt, jemand der eine Ausbildung abeschlossen hat aber nur 1.800 € bzw. von mir aus aufgestockt wird auf 2.000€, ist das ganze Prinzip der Leistungsgesellschaft dahin und es lohnt sich nicht mehr höherwertige Ausbildungen anzustreben. Wärend jemand Jahre studieren geht und in der Zeit kein Geld bekommt und sich abmüht, pfeift der andere auf alles und fährt seine 2000 Euro ein?
        Ich bin in Wirtschaft nicht so fit, aber ich könnte mir auch eine Inflation gut vorstellen. Wenn jeder mindestens 2.000 Euro verdient ist das plötzlich nicht mehr so viel wie heute, die Preise steigen wir sind wieder da wo wir jetzt sind.

        Meines Erachtens nach wäre es deutlich einfacher und sinnvoller die aktuellen Maßnahmen zu reparieren. Damit meine ich, dass sich jegliche Arbeit lohnen muss, keine Kurzarbeit und aufstocken beim Amt. Also ein vernünftiger Mindestlohn und gerne darf auch der genannte Vorleser entlohnt werden. Das wird auch eine Menge Kosten und viele Leute verprellen, aber ich denke das ist „machbarer“.

        Viele Grüße
        Patrick

        • Rainer sagt:

          Moin Patrick,
          hier kommt die nächste ausführliche Antwort. Ich helfe immer gerne Interessierten in dem Thema BGE weiter. Wir müssen uns als Gesellschaft einfach mal langsam Gedanken machen wie es weitergehen soll. Dazu gehört das Nachdenken und Diskutieren über ein BGE, meiner Meinung nach, unbedingt dazu! Es ist kein Allheilmittel und erhebt auch gar nicht den Anspruch. Vielmehr ist es eine Richtung in die zu denken es lohnt.

          @ entweder falsch oder ist meiner Meinung nach nicht machbar:
          Du erliegst einem gängigen Irrtum. Einen einzelnen Aspekt, wie „woher soll das Geld kommen“, aus einem Gesamtkonzept zu reißen führt zwangsläufig zu fehlerhaften Schlüssen. Ohne das hier alles im Einzelnen darstellen zu können, kannst du davon ausgehen, das Geld ist bereits da. Monat für Monat wird es bereits heute „verteilt“. Es heißt Lohn, Rente, Pension, Zinsen, etc. Jeder hat ja heute bereits ein „Einkommen“. Zudem sehen viele Konzepte eine deutliche Verbreiterung der Einnahmebasis vor. So könnte man beispielsweise auf Champagner oder SUV’s einen Luxus-MwST.-Satz von bspw. 50% erheben, um nur zwei sehr plakative Beispiele zu nennen. Lies mal bitte die Produktbeschreibung zu Götz Werner „Einkommen für alle“ da wird schon klar wohin die Gedanken bzw. die Idee eines BGE geht. Im Übrigen empfehle ich für Einsteiger und Interessierte dieses Buch zu lesen, da man ein Gesamtkonzept vorgestellt bekommt und sowohl Sprache als auch der Anspruch an das vorhandene Fachwissen gut zu handhaben sind.

          @ Leistungsgesellschaft:
          Wir leben in keiner Leistungsgesellschaft. Dieses Wort ist eine Erfindung der Wirtschaft, der Soziologie, der Meiden und der Parteien. Wenn das (noch) stimmen würde, !ACHTUNG POLEMIK! warum verdient dann Angela Merkel rund 300.000€, Tom Buhrow als WDR-Intendant aber 367.232€ (trotz zweistelligen Millionenverlusten; Quelle: http://www.rp-online.de/panorama/fernsehen/tom-buhrow-gehalt-wie-viel-verdient-der-intendant-aid-1.4413127) und Herr Winterkorn ganze 16.000.000€. Toni Kroos als Fußballer mit 20 Mio. € lasse ich mal raus – da gilt die Leistungsgesellschaft meiner Meinung nach tatsächlich. Oder um eine greifbarere Konstellation zu wählen, eine Kindergärtnerin die 20 Kinder in Schach hält verdient 1.000€ netto, ein PR-Fuzzi der einen light-Joghurt vermarktet das 3-5fache? Wessen Scheitern wirtschaftlich und gesellschaftlich folgenreicher ist brauche ich wohl nicht zu erwähnen.

          @ Inflation:
          In der Tat, die Gefahr besteht. Sie sollte sich aber eindämmen lassen. Zudem enthalten die heutigen Preise ja auch schon den Krankenkassenbeitrag, Arbeitslosenversicherungsanteil, Transportkosten, Arbeitskosten, Unternehmensgewinn, usw. D.h., wo nicht die in manchen Modellen vorgesehenen „Luxussteuern“ (z.B. Werner et.al.) vorgesehen sind würde sich im Grunde an der Preisfindung nicht so viel ändern – es würde einfach anders heißen.

          Zudem erleben wir ja derzeit ohnehin einen ähnlichen Prozess. Das absinken der Reallöhne ist seit 20 Jahren Realität (ich weiß, es gibt anderslautende Erhebungen). So konnte ein Lehrer in den 80er Jahren mit seinem Gehalt sich, seine Frau, seine 2 Kinder, einen Familienhund, 1-2 Autos, Urlaub und eine Immobilie finanzieren. Dafür braucht man heute schon fast ein zweites Lehrergehalt…

          @ ich denke das ist „machbarer“:
          Da möchte ich dir entschieden widersprechen. Unsere Gesellschaft hat ein derartiges Komplexitätsniveau erreicht, dass jegliche tiefgreifende Änderung gegenwärtig nahezu unmöglich geworden ist (Angela Merkel nennt das „alternativlos“). Zum Beispiel der von dir erwähnte Mindestlohn. Das Gesetz hätte aus wenigen Sätzen bestehen können, einer davon könnte lauten: „Es gibt keine Ausnahmen.“. Stattdessen sind es 10 Seiten geworden (https://www.gesetze-im-internet.de/bundesrecht/milog/gesamt.pdf) die wiederum eine Vielzahl ergänzender Regelungen etc. zeitigen werden.
          Wir sind hier in einem IT-blog, daher wähle ich eine Analogie aus diesem Bereich. Wenn eine Anwendung „hängen“ bleibt versucht man zunächst mit dem Task-Manager den Prozess zu stoppen und hofft es geht weiter. Wenn das nicht hilft kommt der berühmte Neustart. Ist das OS jedoch irgendwann zu verfrickelt hilft nur noch eine saubere Neuinstallation.
          Man wird nie eine ideale Gesellschaft am Reißbrett entwerfen können und zum 01.01.20xy einführen, soviel ist klar. Aber „die aktuellen Maßnahmen zu reparieren“ scheitert zwangsläufig an den bestehenden Machtverhältnissen und dem Einfluss diverser Lobbygruppen. Daher ist die Idee vom BGE, aus meiner Sicht, so reizvoll. Sie ermöglicht es die Einflussnahme einiger Weniger und die Erstarrung unserer derzeitigen Verhältnisse etwas aufzubrechen und bietet die Möglichkeit Dinge neu zu justieren.

          Viele Grüße,
          Rainer

          • Patrick sagt:

            Moin Rainer,

            erneut danke für deine Mühen hinsichtlich der ausführlichen Antwort. Deine Ausführungen klingen wahr und gut, aber ich bin wohl zu sehr von Politik und Medien indoktriniert, um mir das funktionierend vorstellen zu können. Die ganzen Wiederstände gegen die sich das Konzept durchsetzen müsste: Politik, Wirtschaft und am wichtigsten: sogar die „durchschnittlichen Arbeitnehmer“, die eigentlich davon profitieren sollen. Ich meine wir werden jetzt schon so lange darauf trainiert, dass nur wer arbeitet etwas verdient.
            Ich werde mich mit dem Thema jedoch befassen, denn in einem stimme ich mit dir auf jedenfall überein: es muss sich einiges ändern.

            Viele Grüße
            Patrick

            PS:
            Die Analogie aus dem IT-Bereich ist in der Praxis nicht ganz korrekt wiedergegeben. Denn wenn es sich um einen wichtigen Server handelt, wird in der Regel alles mögliche gemacht, bevor er neu installiert wird. Und ich denke das Gesellschaftssystem geht in Richtung AD ;)

  3. Addi sagt:

    Für wen wird denn noch mit der Industrie4.0 produziert, wenn die Mittelschicht wegbricht und nur noch gering konsumiert werden kann?

  4. Bastian sagt:

    Gute Frage Addi!
    Die Ansätze finde ich allgemein auch in Ordnung, allerdings wurden an vielen Stellen die Folgen nicht berücksichtigt. Das Ganze exakt zu berechnen ist aus meiner Sicht schwer…

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