Einem Bericht von Reuters nach hat man in der Ukraine damit begonnen, die Gesichtserkennung der US-Firma ClearView einzusetzen, um Personen während des Kriegs zu identifizieren. Ziel soll es sein, russische Angreifer aufzuspüren, Fehlinformationen zu bekämpfen und die gefallenen Soldaten zu identifizieren. Als Datenbasis werden die Profilfotos des russischen sozialen Netzwerks VKontakte verwendet.
Das ukrainische Verteidigungsministerium habe am Samstag damit begonnen, die Gesichtserkennungstechnologie von Clearview AI zu nutzen. Die Information stammt vom ClearView-Geschäftsführer, der dies gegenüber Reuters bestätigt hat. Das US-Startup hatte der Ukraine angeboten, kostenlos auf die Technologie zuzugreifen, um russische Angreifer aufzudecken, Fehlinformationen zu bekämpfen und Tote zu identifizieren.
Riesiger Datenbestand an Gesichtern
Der Clearview-Gründer gibt an, dass man über mehr als 2 Milliarden Bilder aus dem russischen Social-Media-Dienst VKontakte verfüge. Insgesamt kann ClearView wohl auf eine Datenbank mit über 10 Milliarden Fotos von Gesichtern zugreifen. Das Unternehmen wirbt damit, Gesichter über KI erkennen zu können. Das Problem ist aber die Datenübernahme der erforderlichen Fotos zum Trainieren der Gesichtserkennung.
Gerade die Übernahme von Gesichtsfotos aus öffentlichen Quellen wird im Westen ja kontrovers diskutiert und es gab eine Reihe von Verfahren und Klagen gegen ClearView (siehe auch Lesetipp: Insights zur Gesichtserkennung) – und ein Hacker hat die Kundenliste des Unternehmens 2020 erbeutet (siehe Sicherheitsinfos (6.3.2020)). Zudem gab es ein Datenleck, bei dem Benutzerdaten abgerufen werden konnten (siehe Sicherheitsinfos (21.4.2020)).
Hintergrundinfo: Clearview, das in erster Linie seine Dienstleistung an US-Strafverfolgungsbehörden verkauft, wehrt sich gegen Klagen in den Vereinigten Staaten, in denen das Unternehmen beschuldigt wird, durch die Erfassung von Bildern aus dem Internet gegen Datenschutzrechte zu verstoßen. Clearview behauptet, dass die Datenerfassung ähnlich wie bei der Google-Suche funktioniert. Dennoch haben mehrere Länder, darunter das Vereinigte Königreich und Australien, die Praktiken des Unternehmens für illegal erklärt.
Kostenloser Zugang gewährt
Die Ukraine erhält kostenlosen Zugang zu Clearviews leistungsfähiger Suchmaschine für Gesichter, die es den Behörden unter anderem ermöglicht, Personen an Kontrollpunkten zu überprüfen, sagt Lee Wolosky, ein Berater von Clearview und ehemaliger Diplomat unter den US-Präsidenten Barack Obama und Joe Biden.
Das ukrainische Verteidigungsministerium hat aber auf eine Anfrage von Reuters mit der Bitte um Stellungnahme nicht geantwortet. So kann nicht geklärt werden, wie viel davon ClearView Marketing ist. Zuvor hatte ein Sprecher des ukrainischen Ministeriums für digitale Transformation erklärt, es prüfe Angebote von US-Unternehmen für künstliche Intelligenz wie Clearview.
Die Versprechen die ClearView macht und die Hoffnungen, die sich damit verbinden, lesen sich zwar, je nach Sichtweise, grandios: Russische Angreifer aufzuspüren, Fehlinformationen zu bekämpfen und gefallenen Soldaten zu identifizieren. Zudem könnten Flüchtlinge identifiziert und Familien dadurch ggf. zusammen geführt werden.
Ethische Fragen offen
Neben der äußerst fragwürdigen Generierung der Gesichtsfotos – die in Europa wegen diverser rechtlicher Bestimmungen schlicht illegal ist, wirft dieser Einsatz viele ethische Fragen auf. Was ist, wenn eine Person fälschlich an einem Kontrollpunkt identifiziert und dann getötet wird? Reuters zitiert daher auch Albert Fox Cahn, Geschäftsführer des Surveillance Technology Oversight Project in New York.
Der Experte weist ebenfalls darauf hin, dass die Gesichtserkennung Menschen an Kontrollpunkten und im Kampf falsch identifizieren könnte. Eine Fehlerkennung könnte zum Tod von Zivilisten führen, so wie es bei der Verwendung durch die Polizei zu ungerechtfertigten Verhaftungen gekommen ist. „Wir werden erleben, dass gut gemeinte Technologie nach hinten losgeht und genau den Menschen schadet, denen sie eigentlich helfen soll“, sagte er.
Cahn bezeichnete laut Reuters die Identifizierung der Verstorbenen als die wahrscheinlich am wenigsten gefährliche Art, die Technologie im Krieg einzusetzen. Aber er weist auch darauf hin, dass „wenn man diese Systeme und die dazugehörigen Datenbanken in einem Kriegsgebiet einführt, man keine Kontrolle darüber hat, wie sie eingesetzt und missbraucht werden“.
Die Technologie dahinter ist faszinierend und fragwürdig zugleich.
Zu gross ist nach meinem Geschmack die Fehlerquote, welche in solchen Fällen völlig unschuldige Menschen mit zum Teil nicht wieder gut zu machenden Konsequenzen trifft.
Und sowas in den ‚falschen‘ Händen … da wird mir ein wenig anders.
Meiner Meinung nach gibt es nur falsche Hände für sowas.
Egal ob Krieg, Minderheitenverfolgung oder Strafzetteladressierung.
Immerhin kann ich sagen, dass ich dieses System nie selbst gefüttert habe.
Und schon wird so ein Scheiß in einem Krieg eingesetzt.
Es wird immer häufiger vorkommen, dass Software von Staaten zweckentfremdet wird. Dazu passt auch die heutige Warnung des BSI vor Kaspersky.
Hier bestehen begründete Sorgen, dass der Hersteller zu Attacken gegen seine eigenen Kunden gezwungen wird.
Wir nutz(t)en Kaspersky für mobile Endgeräte und bei einigen Homeoffice-PCs. Die Zeiten sind vorbei.
Quelle:
https://www.bsi.bund.de/DE/Service-Navi/Presse/Pressemitteilungen/Presse2022/220315_Kaspersky-Warnung.html
Das Thema ist inzwischen im Beitrag Endlich: Das BSI warnt nun vor dem Einsatz von Kaspersky-Virenschutzprodukten angesprochen.
der zweck heiligt also die mittel
dadurch wird gluecklicherweise der zweck nicht heilig
gutt dass italien (oder wer wars gleich? kam die letzten wochen ueber als news… ein eu land…) clearview verboten hat die bilder der eigenen buerger weiter zu nutzen und auf vollstaendige loeschung verlangt hat usw
da koennen soeldner aus italien (wenns das war…) vom russen in clearview dann nicht ermittelt werden
Die syrischen und tschetschenischen Söldner in den Reihen der Russen (andere Unterstützung erfährt Putins Angriffskrieg nicht) sind in der Datenbank nicht vertreten?