Windows 11 "Copilot+PC" kommt (vorerst) ohne Recall

Windows[English]Was für ein PR-Desaster für Microsoft – nächste Woche sollen Geräte mit dem Konzept „Copilot+PC“ auf den Markt kommen. Aber die wichtigste Funktion „Windows Recall“, die Microsoft noch vor kurzen als den „Stein der KI-Weisen“ in den Himmel gelobt hat, wird fehlen. Es gibt den recall von Recall, was als Meme inzwischen durch das Netz geistert. Der Druck und der Aufschrei der Sicherheitsexperten im Hinblick auf diese Funktion war wohl zu groß.

Windows Recall zurückgezogen

Die pure Information ist mir die Nacht in Form des nachfolgenden Tweets von Zac Bowden, Windows Central, unter die Augen gekommen. Die Botschaft: „Microsoft verschiebt die Windows Recall-Einführung. Die Copilot+ PCs werden nächste Woche ohne ihre wichtigste KI-Funktion ausgeliefert.“

Windows Recall zurückgezogen

In einem Blog-Beitrag Update on the Recall preview feature for Copilot+ PCs vom 13. Juni 2024 erklärt Microsoft seinen Rückzieher. Die am 20. Mai 2024 mit großem Trara vorgestellte Recall-Funktion bei Copilot+PCs wird in der Preview von Windows 11 zurückgezogen. Ab dem 18. Juni 2024 werde Recall nicht mehr als Vorschau für Copilot+ PCs zur Verfügung stehen, sondern in den kommenden Wochen zunächst im Windows Insider Programm (WIP) verfügbar sein.

Der 18. Juni ist der dritte Dienstag im Monat, wo Microsoft früher Preview-Updates veröffentlicht hat. Microsoft begründet diesen Rückruf, dass man allen Kunden „ein vertrauenswürdiges, sicheres und stabiles Erlebnis bieten wolle“ und zudem plant, zusätzliches Feedback einzuholen, bevor die Funktion allen Copilot+ PC-Nutzern zur Verfügung gestellt wird. Denn Sicherheit habe bei Microsoft „oberste Priorität“ und dieser Rückruf sei im Sinne der Secure Future Initiative (SFI).

Diese Secure Future Initiative (SFI) spiegele sich auch in den zusätzlichen Sicherheitsvorkehrungen wider, die Microsoft für Recall-Inhalte bereitstellen will, heißt es. Dazu gehören auch eine „Just-in-Time“-Entschlüsselung, die durch Windows Hello Enhanced Sign-in Security (ESS) geschützt ist, so dass Recall-Snapshots nur dann entschlüsselt und zugänglich gemacht werden, wenn sich der Benutzer authentifiziert. Ich hatte im Blog-Beitrag Microsoft bessert AI-Funktion Recall nach und fügt eine „Sicherung ein“ – reicht das? über diese Ideen berichtet.

Die Hintergründe beleuchtet

Am 20. Mai 2024 wurde von Microsoft die „Copilot+PC“-Initiative vorgestellt, die eine ganz neue Gerätefunktion mit Windows 11, spezialisierter Hardware (ARM-CPUs mit NLP-Prozessoren für AI-Funktionen) einläuten soll. In diesem Kontext wurde auch eine Funktion Recall für Windows vorgestellt. Die Recall-Funktion ermöglicht es dem Benutzer unter Windows ständig Screenshots vom Bildschirm des Benutzers anfertigen zu lassen, so dass alles aufgezeichnet wird, was er macht (es werden jeweils Snapshots gespeichert, wozu auch Eingaben und Mausbewegungen gehören sollen). Die Ergebnisse werden in einer SQLight-Datenbank im Benutzerprofil gespeichert und lassen sich durch ein generatives KI-Modell auswerten und durchsuchen. So soll der Benutzer fragen können „was habe ich mir letztens als Reiseziel angeschaut“ und dann von Recall die betreffenden Dokumente, Webseiten, Mails etc. gezeigt bekommen.

Die vorgestellte Funktion Recall war gleich zu Beginn hoch umstritten, weil das ein potentiellen Überwachungsinstrument und eklatantes Sicherheitsrisiko für das Windows Ökosystem darstellt. Microsoft Chef Nadella versicherte in einem Interview, dass alles nur lokal gehalten werde und alles sicher sei. Aber Sicherheitsforscher liefen Sturm und konnten binnen weniger Stunden nachweisen, dass sich aus der Datenbank Informationen wie gelöschte Mails, Passwörter bzw. Anmeldedaten oder vertrauliche Dokumente abrufen ließen.

Ich hatte im Blog-Beitrag Copilot+AI: Recall-Sicherheitsdesaster- KI-gestützter Diebstahl die Zusammenfassung des Bilds gezeichnet, welches ich aus der Phalanx der Sicherheitsforscher erkennen konnte. Es wurde kein gutes Haar an diesem Konzept und der mit heißer Nadel gestrickten Funktion gelassen. Ich hatte es nicht thematisiert, aber Microsoft muss Recall arg unter den Augen der Öffentlichkeit entwickelt haben und selbst Windows Insider waren wohl nicht in die Tests einbezogen.

Angesichts des Umstands, dass Microsoft sicherheitstechnisch mit dem Rücken an der Wand steht – siehe meine aktuellen Artikel Whistleblower: Microsoft ignorierte Warnungen vor AD-Bug; wurde 2020 bei SolarWinds-Hack ausgenutzt und Microsoft übt sich in Schadensbegrenzung bei Kongress-Anhörung (13.6.2024): Sicherheit habe Vorrang vor KI – hat man sich also jetzt wohl zum Rückruf gezwungen gesehen. Man wird mit Windows Insidern die im Blog-Beitrag Microsoft bessert AI-Funktion Recall nach und fügt eine „Sicherung ein“ – reicht das? skizzierten Funktionen implementieren. Ob das was an der Situation ändert, wird man sehen müssen.

Ähnliche Artikel:
Microsofts AI-PC mit Copilot – KI-Informationssplitter Teil 1
Microsofts Sicherheitsrisiko Recall, OpenAI und weitere KI-Informationssplitter – Teil 2
Copilot+AI: Recall-Sicherheitsdesaster- KI-gestützter Diebstahl
Microsoft bessert AI-Funktion Recall nach und fügt eine „Sicherung ein“ – reicht das?

Dieser Beitrag wurde unter Windows abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

15 Antworten zu Windows 11 "Copilot+PC" kommt (vorerst) ohne Recall

  1. 1ST1 sagt:

    Es gibt noch ein weiteres Problem, welches die Verzögerung erklärt… Da gehts nicht um Datenschutz und Privatspähere, sondern um den schnöden Mammon…

    Recall läuft als AI Funktion ja nur auf Prozessoren mit Neurolic Processing Unit (also in Hardware gegossene neuronale Netzwerke) vernünftig. Es soll zwar auch auf GPUs (von nVidia) funktionieren, die muss aber zum einen ordentlich potent sein, aber so richtig in die Puschen kommt das Ding (und alle anderen lokalen AI-Funktionen von Copilot) anscheinend nur mit so einer NPU. x86-CPUs von Intel und AMD mit so einer NPU sind wohl erst zum Ende des Jahres zu erwarten, und bis x86 Desktops und Notebooks kaufbar sind, dauert es dann nochmal eine Weile (nach Ostern, wenn die Zyklen noch sind, wie sie mal waren, als ich noch im „Hardwaregeschäft“ war). Die einzigen CPUs, die schon eine geeignete und von Microsoft unterstützte NPU in Silizium haben, ist von Qualcom, und damit sind es ARM RISC Prozessoren, nixda x86. Solche Copilot-Plus-Notebooks mit ARM-Prozessoren wurden wohl schon auf der gerade beendeten Computex gezeigt. Damit wären wir erstmal bei „gescheitem“ (also ausreichent performant ohne den restlichen Kram auszubremsen) lokalem Copilot und Recall auf Windows-11-on-ARM-Notebkooks, die es als „Coppilot-Plus-Notebooks“ ab demnächst (Back to School, Weihnachten) erstmalig zu kaufen geben sollte. Aber selbst daraus wird vielleicht nichts, denn die gute alte Acorn Computers Limited (wer von euch kennt noch die sauschnellen Acorn Risc Machine (ARM) gepowerten britischen Acorn Archimedes Heimcomputer und RiscPC, aber streiche die letzten 3 Worte vor der Klammer und den ganzen Klammerinhalt und ersetze durch) ARM Holdings Limited scheint jetzt wohl auch hier die Pläne zunichte zu machen, denn Qualcoms ARM-Prozessoren mit NPU verstoßen scheinbar gegen die Lizezenzbestimmungen, weil die ARM-Kerne von der von Qualcom aufgekauften Firma Nuvia (das sind Ex Apple Leute) von ARM nur für den Server-Einsatz lizenziert wurden. Sprich, ARM verlangt die sofortige Vernichtung aller bisher hergestellten Qualcom-Copilot-Plus-Prozessoren und darauf basierte Systeme…

    https://www.heise.de/news/ARM-will-Verkauf-aller-neuen-PCs-mit-Windows-on-ARM-stoppen-9758354.html

    Das ganze Recall-Ding stolpert schon vor dem Start. Und der schnöde Mammon hat immer das meiste Gewicht…

  2. Mira Bellenbaum sagt:

    Wird es auf Windows 10 kommen?

    • Günter Born sagt:

      Wer weiß das schon. Vom Bauchgefühl her denke ich nicht, dass man noch was rückportiert. Sicher bin ich aber nicht – auch Copilot wurde ja zurück portiert.

      • Triceratops sagt:

        Falls der Marktanteil von Windows 11 so bleibt wie aktuell über 2025 hinaus (Also wenn Microsoft sich mit Windows 11 auf die schnautze legt), halte ich es für möglich das die daß in Windows 10 rein klatschen (Windows 10 und 11 sind vom Kernelaufbau nahezu identisch). Aber da kann man jetzt nur abwarten was Microsoft mit Recall noch so veranstalltet.

  3. Foegi sagt:

    Hätte Microsoft besser gewartet bis Apple mit so einem Feature ums Eck kommt, die Medien hätten es bejubelt ;)
    One more thing .. we know what you did last summer :D

    • McAlex777 sagt:

      Würde Microsoft seine Anwender nicht fortlaufend gängeln, mit miesen Taktiken in die Irre führen, seine Datenübergriffigkeiten final abstellen und Datenschutz Out-Of-Box wahren, würden die Leute Windows auch gern nutzen.

      So nutzen es die Leute zwangsweise weil das Win32/Win64 Ökosystem sie darein drängt.

      • Pau1 sagt:

        Microsoft verschenkt die Lizenzen an Hardware Hersteller.
        Wo bleibt die EU?

        Microsoft investiert viel darin OEMs die Integration in ihre Hardware so einfach wie möglich zu machen.
        Und so findet man Notebooks praktisch nur mit Windows oder ohne alles, wobei die Version mit Windows schneller lieferbar ist und kaum mehr kostet als die nackte.
        Es gab mal beim Mediamarkt den Versuch, ein Linux Notebook zu verkaufen…
        Das überforderte die Käufer und der Support frass jeden Cent Gewinn auf.
        Es sind immer noch Welten dazwischen ob man ein Windows Image deployt oder ein Linux.
        Warum sollte sich ein OEM die Mühe machen?
        Und ein Enduser, der gerade 2TEU für das neue Notebook hingelegt hat, will damit sofort los arbeiten und nicht erstmal recherchieren müssen, welche Linux Distribution denn die passenden Treiber mit bringt und eine oder 2 Wochen dran Rum basteln muss, ehe es halbwegs läuft und von den 2TEU wenigstens 750 Euro benutzen kann.

        Was das mit Recall zu tun hat?
        Es zeigt, warum Microsoft ungestraft seine Kunden anlügen kann.

      • Bernd Bachmann sagt:

        Heutzutage muss man noch hinzufügen: Und würden sie wieder Updates machen, die man ohne Furcht vor Nebenwirkungen installieren kann.

        Aber ja, bis und mit Windows 7 und Office 2007 habe ich Microsoft gerne genutzt. Danach ging es in eine Richtung, die mir immer weniger zugesagt hat.

        Ironischerweise zwingt mich ausgerechnet Apple, Windows immer noch gelegentlich in einer VM zu nutzen: Weil mir keine Möglichkeit bekannt ist, zwischen Linux und iPhone, und ohne Cloud, Daten auszutauschen.

    • Günter Born sagt:

      Apple hat eine loyale Fan-Gemeinde und nicht den Ruf wie Microsoft. Ansonsten hatte ich zu Apples AI-Ansatz für iOS/iPadOS und macOS, der die Tage vorgestellt wurde, etwas geschrieben. Sehe ich ebenfalls kritisch, da die Überwachung im OS eingebaut wird. Dort werden die nur High-End-Geräte diese Features bekommen.

      Apple gibt sich die AI-Funktion in iOS, iPadOS und macOS

  4. Pau1 sagt:

    Ich verstehe einfach nicht. Was für Cretins dürfen einen Konzern wie Microsoft führen resp. leiten?
    Bekommt er es nicht auf einen Zusammenhang gesetzt, das er nicht sagen kann „Security First“ und dann eine deartig faschistische Überwachungsfunktion wie „Recall“ anzukündigen.
    Ganz ernsthaft, das muss an den Unmengen von Koks liegen, das das Gehirn auffrisst, oder?
    oder gibt es eine andere Erklärung für ein derartig dummerhaftes Verhalten als „Gier frist Hirn“?
    mit wird echt Angst und Bang dabei, das diese Welt von Koksern regiert werden könnte….

    • Luzifer sagt:

      Ist doch Security First! Da MS dann alles überwacht was auf deinem Gerät abgeht, kann es sofort eingreifen wenn du etwas machst was der Security schadet! Mehr Security geht nicht ;-P Sonst wäre das schon PreCrime Unit frei nach Minority Report.

      nochmals für die langsamer Denkenden: Security von MS bedeutet nicht das es um den Schutz des Users geht!

  5. Red++ sagt:

    Zumal ich nicht verstehe wie viel KI benötigt wird, um alle 4 Sekunden einen Screenshot zu machen, das kann auch Open-Source und heißt OpenRecall und läuft unter Linux und macOS, wenn man es denn wirklich braucht.

    Also ich brauche das nicht.

    Ich weiß, was ich am PC mache und dass es niemanden außer mir etwas angeht und dafür brauche ich keine Screenshot Funktion, die mir anhand von Bildern erzählen kann, viele Pornos ich mir letzten Monat angesehen habe.

    Im Übrigen, falls ich irgendwann dement oder Alzheimer bekomme, ist es mir auch egal, weil mir dann bestimmt nicht mehr einfällt, wo ich meinen PC oder Notebook zuletzt abgestellt habe.

    • Bernd Bachmann sagt:

      Um die Screenshots zu machen, braucht es natürlich keine KI. Um die Screenshots auszuwerten und eine KI damit zu trainieren, logischerweise schon.

  6. 1ST1 sagt:

    Schön, jetzt kommt Google mit einer eigenen Recall-Funktion im Chrome!

    https://www.ghacks.net/2024/06/17/chrome-sends-ai-history-search-data-to-google/

    Willkommen in „1984“ !

  7. Sebastian Pilz sagt:

    Nabend zusammen,

    Hat jemand schon eine ADMX-Datei zum deaktivieren von Recall?
    Es ist in Microsoft Learn beschrieben, das man die AI Funktion deaktivieren kann, jedoch ist in den letztverfügbaren ADMX-Templates aus 23H2 noch nichts zu sehen.

    Grüße,
    Sebastian

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert