[English]Abschied von VMwares Virtualisierungslösungen, weil die Lizenzkosten eine existenzbedrohende Größe angenommen haben. Das ist das Fazit des in Österreich angesiedelten Cloud Providers Anexia. Dieser hat 12.000 virtuelle Maschinen von VMware zu einer Open Source-Virtualisierungslösung umgezogen.
Seit über einem Jahr hat Broadcom ja das Sagen beim Virtualisierungsspezialisten VMware. Seitdem wurden Perpetual Lizenzen (und Produkte, siehe Broadcom beerdigt VMware-Produkte mit Perpetual-Lizenzen – Ende des kostenlosen ESXi-Servers?) zugunsten von Abo-Modellen eingestellt. Für Kunden bedeutet dies, dass Lizenzverlängerungen mitunter extrem teuer werden (siehe Der Fluch der neuen Broadcom/VMware VCF-Lizenzierung in der Praxis). Das führt dazu, dass sich viele Kunden nach einer Alternative für die Virtualisierung umsehen.
Broadcom verliert mit Anexia weiteren Kunden
Nun wurde durch diesen Beitrag von The Register bekannt, dass Broadcom einen weiteren größeren VMware-Kunden verloren hat. Der in Österreich angesiedelte Cloud Provider Anexia hat seine Virtualisierungsstruktur von VMware auf Open Source umgestellt.
Das 2006 in Klagenfurt, Österreich, von Alexander Windbichler gegründet Unternehmen ist als Cloud Service Provider und Internet Service Provider an über 100 Standorten aktiv und bietet Managed Hosting an. Zu den Kunden sollen TeamViewer und Lufthansa gehören.
Bis zum Frühjahr 2024 wurden VMware-Lösungen zur Virtualisierung von 12.000 VMs, die in verschiedenen Rechenzentren gehostet wurden, eingesetzt. Laut CEO Alexander Windbichler war Anexia zwar nach der Übernahme von VMware durch Broadcom berechtigt, weiterhin eine VMware-basierte Cloud zu betreiben. Aber es standen in 2024 Lizenzverlängerungen mit VMware by Broadcom an.
Broadcom-Lizenzbedingungen nicht akzeptabel
Gegenüber The Register gab Windbichler aber an, dass Anexia sich die bei einer Lizenzerneuerung auflaufenden Kosten nicht leisten konnte. Es wurden zwar keine konkreten Zahlen genannt, aber es heißt, die neuen Broadcom- Bedingungen hätten zu einem starken Anstieg der Kosten für VMware-Lizenzen geführt. The Register geht davon aus, dass der Preisanstieg über 500 Prozent betrug. Windbichler sagte gegenüber The Register, dass die Kostensteigerung „für Anexia existenziell gewesen wäre“.
Laut Windbichler habe man früher die Lizenzkosten für VMware-Software einen Monat im Nachhinein bezahlt. Bei Broadcom hätte der Hoster die Lizenzen ein Jahr im Voraus bezahlen und zudem einen Zweijahresvertrag eingehen müssen.
Alleine diese Vereinbarungen hätte den Cashflow des Unternehmens extrem belastet. Am Ende des Tages wäre Anexia nicht mehr am Markt konkurrenzfähig gewesen. Hinzu kam, dass es Verträge mit Kunden gab, die keine Preiserhöhung akzeptierten. Windbichler zog zwar laut The Register rechtliche Schritte gegen Broadcom in Erwägung, war aber am Ende des Tages der Meinung, dass der Kampf zu langwierig und teuer gewesen wäre.
Umstellung auf KVM
Gegenüber The Register gab der Anexia CEO an, dass man von VMware auf die mit Linux verfügbare Open Source-Lösung KVM (Kernel Virtual Maschine) umgestiegen sei. Diese Entscheidung fiel auch, weil Anexia im Jahr 2016 Netcup übernommen hat. Netcup verwendet bereits KVM zur Virtualisierung.
Dadurch konnte man auf die „Anexia Engine“ zurückgreifen, eine Abstraktionsschicht für die Nutzer, die die eigentliche Virtualisierungsinfrastruktur vor den Kunden verbirgt. Für die Kunden war es daher egal, welcher Hypervisor für die VMs verwendet wird. Sie konnten die VMs mit der „Anexia Engine“ verwalten.
Ein weiterer Vorteil bei Anexia war wohl auch, dass das Unternehmen NetApp-Storage in großem Umfang eingesetzt hatte. Die Daten der Kunden lagen damit auf Ressourcen, die unabhängig von VMware waren. Alle neuen VMs mussten lediglich auf bestehende Volumes verweisen, um lauffähig zu sein. Ein weiterer glücklicher Umstand war laut The Register, dass KVM virtuelle Maschinen booten kann, die mit dem VMDK-Format von VMware erstellt wurden.
Schrittweise Migration mit großem Zeitdruck
Windbichler und sein Team kamen nach einer Analyse 2024 zum Schluss, dass die bereits vorhandene Netcup-Plattform aufgerüstet werden könnte, um den Anforderungen der Anexia-Kunden gerecht zu werden. Einige dieser Kunden verwenden Anexia zum Hosten geschäftskritischer Echtzeit-Workloads, die eine niedrige Latenzzeit erfordern. So musste dann die Anexia-Engine für Zusammenarbeit mit einem KVM-Backend angepasst werden.
Druck entstand, weil die anstehende Broadcom-Lizenzverlängerung Anexia nur wenige Monate Zeit zur Implementierung der Anpassungen ließen. Es drohte der Zwang, ein neues Lizenzabkommen mit extremen Preiserhöhungen und ein zweijähriges Abonnement mit Broadcom eingehen zu müssen.
Kunden, die sich für VMware-basierte Dienste entschieden hatten, mussten in dieser Zeit zudem davon überzeugt werden, dass die neue Plattform auf Basis KVM die Anforderungen erfüllen würde. Eine Präsentation von Anexia für die Kunden, die auf VMware arbeiteten, wurde vorgestellt. Auf Grund der Berichterstattung über Broadcom und der Entwicklung bei VMware stieß diese Präsentation bei den Kunden auf Interesse.
Das Entwicklerteam von Anexia verbesserte die Netcup-Plattform bis Anfang 2024 und entwickelte zudem ein einfaches Migrationstool. Im Ergebnis lag ein Agent vor, der in einer Gast-VM ausgeführt werden konnte und in der Anexia-Engine Informationen anzeigt, die Kunden ermöglicht, zu erkennen, ob eine VM bereit ist, von VMware zu KVM umgestellt zu werden.
Sobald ein Kunde zur Migration bereit ist, benötigt es nur einen Klick und eine kurze Pause für einen Neustart der virtuellen Maschine. Dabei wird die VM dem Speicher zuordnet und in das entsprechende virtuelle Festplattenformat konvertiert. Danach kann die VM wieder starten und läuft danach in KVM statt in der VMware-Virtualisierungsumgebung.
Windbichler gab gegenüber The Register an, dass das Migrationstool so rechtzeitig fertig war, dass alle Anexia-Kunden ihre 12.000 VMs bis Mai 2024 migriern konnten. Der Migrationsprozess sei nicht einfach gewesen, da für eine kurze Zeit zwei Instanzen einer VM existierten. Das erforderte mehr Hardware-Kapazität, als das Unternehmen an einigen Standorten besaß.
Es war eine sorgfältige Planung des Ressourcenmanagements erforderlich, da einige Kunden nicht ohne Weiteres ein Zeitfenster für die Umstellung finden konnten und es schwierig war, sicherzustellen, dass Server und Speicher für den Umzug bereitstehen würden.
Anexia schaffte die Migration seiner Kunden, ohne seinen physischen Hardware-Park zu verändern. Laut Windbichler war es das komplexeste Projekt, welches Anexia je umgesetzt hat. Für das Unternehmen war es jedoch ein voller Erfolg, denn die Kunden sind weiterhin an Board und das Unternehmen hat durch den Wegfall der VMware-Lizenzen nun freie Budgets, um an der Open-Source-Lösung zu arbeiten und die Infrastruktur für seine Kunden weiter zu verbessern.
Windbichler betont gegenüber The Register, wie wichtig es gewesen sei, sich von Broadcom unabhängig zu machen. Der CEO glaubt nicht, dass Broadcom am Ende des Tages mit seinem Kurs bei VMware erfolgreich sein wird. „Sie haben bei Broadcom das ganze Vertrauen verspielt. Ich habe mit so vielen VMware-Kunden gesprochen und diese sagen, dass sie mit so einem Unternehmen nicht arbeiten können.“ wird Windbichler von The Register zitiert.
Das Beispiel zeigt, dass der Exit von VMware und seiner Virtualisierungsplattform möglich ist. Ob die Wettbewerbsbehörden oder die Industriegruppe Cloud Infrastructure Services Providers in Europe (CISPE) bei Gesprächen mit den EU-Behörden viel reißen können, steht offen. Ich würde da nicht allzu viel Hoffnung drauf setzen und Schritte für einen Exit von VMware by Broadcom planen, um aus der Abhängigkeit heraus zu kommen.
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Mein ehemaliger Arbeitgeber stand vor dem gleichen Dilemma.
Ähnliche Struktur wie bei Anexia: Eigens programmiertes Web-Portal, welches den Hypervisor vor dem Kunden verbirgt und rudimentäre Verwaltungsaufgaben wie das Erstellen neuer oder Bearbeiten vorhandener VMs anbietet.
Auch dort wurde ein Wechsel auf eine andere Lösung beschlossen, da die gestiegenen Kosten nicht an die Kunden weiter gegeben werden konnten.
Leider hat man sich aber nicht für KVM sondern für OpenStack als neue Lösung entschieden…was meiner Ansicht nach ein Fehler war.
Zwar setzt OpenStack auch auf KVM als Hypervisor auf, aber es ist dann doch eigen und speziell genug, dass schon solche elementaren Themen wie Backup beinahe unüberwindbare Hindernisse waren, trotz Support durch einen auf OpenStack spezialisierten Dienstleister.
Da neben ESXi noch weitere Spezialitäten wie VMware Horizon zum Einsatz kamen, welche ebenfalls unter OpenStack weiter funktionieren sollen, bin ich auf den Ausgang dieses Projektes gespannt…habe mittlerweile aus anderen Gründen einen neuen Job gefunden, aber bin durchaus froh hiermit nichts mehr zu tun zu haben.
Ja bei sowas kann ich auch nur den Kopf schütteln. Da ist man nun in einer Situation, weiß wie und warum es dazu kam und hat die Lösung quasi in der hand und löst es trotzdem nicht nachhahaltig sondern schiebt es nur auf die lange Bank, in opportunistischer und fahrlässigen, ich finde schädlichen Weise.
Mögen die nöchsten sich damit wieder beschäftigen.
Das nenne ich konsequentes Handeln von Anexia, was Schule machen sollte. Wo ich mich umhöre, sind die VMware Anwender entsetzt darüber, wie Broadcom sich verhält und fliehen in Scharen zu anderen Lösungen. Wenn man sieht, welche Marktmacht Broadcom hat, so kann man sich nur davor fürchten, wenn es irgendwann andere Unternehmen wie Microsoft, die schon jetzt gar keine enstzunehmende Konkurrenz mehr haben, genauso treiben werden. Ich bin froh, dass die von mir betreuten Umgebungen überwiegend unter Linux laufen und ich auch nur noch wenige Jahre vor mir habe, bevor ich mich in den Ruhestand zurück ziehen kann.
Der Unterschied bei MS mit Windows oder Google mit Android: Die Marktmacht ist bereits quasi-Monopol. Die werden das nicht im gleichen Masse übertreiben bzw. gehen deutlich subtiler vor als der Chef von Broadcom der nur den Vorschlaghammer kennt. MS dreht permanent etwas an der Preisschraube und und Google verkauft die Daten. Dagegen haben die Behörden nichts, weil sie auch auf die Daten zugreifen können. ;)
Wollte ich in etwa auch schreiben… der Mensch ist halt wie ein Frosch, der nicht merkt, wie sich langsam das Wasser um ihn herum im Kochtopf erwärmt.
Wenn das so einfach wäre …
Will ich zu Linux bzw. Open Source wechseln, stehe ich vor hunderten Kombinationen aus Desktops, Distributionen, Paketmanagern und was es da alles für Unterschiede gibt. Dazu die Frage, ob die vorhandene Software in Wine o. ä. läuft oder es eine Linux-Version bzw. Ersatz gibt, der ohne große Schmerzen verwendbar ist.
Wenn ich am Tag 100 Stunden freie Zeit hätte, dazu eine gigantische SSD und viel RAM, würde ich da vielleicht zeitnah zu einem Ergebnis kommen.
Der Erzengel Linus ist mir leider noch nicht im Traum erschienen und hat die Weisheit in mich eingepflanzt.
Will ich so zu proprietärem Systemen schaue, sehe ich da auch hunderte Kombinationen aus Desktops, Herstellern und deren Softwarelösungen. Und was es da alles für Unterschiede gibt und ständig Probleme mit Updates und intransparenten Prozessen. Dazu die Frage, ob die Software überhaupt mit der von anderen Herstellern zusammen läuft und es Schnittstellen gibt, die ohne Schmerzen, Abstürze und viel Geld für Indivdualanpassungen verwendbar sind.
Wie Du siehst, sind Deine angeblichen Argumente auch in die andere Richtung nutzbar.
Ich fürchte, MS & Co werden bald nachziehen. Dank der neuen US-Regierung werden wir uns nicht mehr wehren können.
Was EU, ihr spielt nicht mit: Abschalten.
Und dann werden wir (EU) kriechen und buckeln, da wir keine (schnelle) Alternative haben.
Ich bin seit Wochen am Eruieren, zu welcher Linux-Distri ich am besten wechsele, so dass es für die paar Anwender reibungslos läuft und ich auch diverse Anwendungs-Software (nicht MS) wieder adäquat zum Laufen bekomme.
Wenn ich dann denke, was da alles bei großen Organisationen dranhängt …
> Ich fürchte, MS & Co werden bald nachziehen. Dank der neuen US-Regierung werden wir uns nicht mehr wehren können.
Ich bin seit 2007 Microsoftfrei… die Infrastruktur meiner Kunden ebenfalls. Windows und ADs und Fachanwendungen laufen da nur noch isoliert offline auf Terminalservern.
Da bietet sich doch Proxmox gerade zu an. Die sitzen doch quasi „um die Ecke.“
Hihi, mein letzter Arbeitgeber wollte knapp vor meiner Kündigung von QEMU/KVM auf VMWare wechseln und hat es wahrscheinlich auch gemacht … Ende 2023 … persönlich mag ich mehr die Bare-Metal Maschinen … hat über 30 Jahre ohne größere Downtimes funktioniert … wurde aber immer schwieriger, weil immer mehr Firmen (DEC, Compaq, HP, IBM, …) ihren damals guten Support eingedampft haben oder fusioniert wurden um die Aktionäre (Shareholder Value) zufrieden zu stellen … heute sag ich mir … mögen sich die Jungen mit Chatbotsupport und AI-Lösungen bei Firmware- und BIOS-Updates herum schlagen … zum Niedergang der Qualität des MS-Supports für Exchange, der Einstellung der Dokumentation und der „Techbase“??? (habs leider schon vergessen) sag ich nix mehr. Gibt Alternativen. Das ganze Cloudgedöns bei MS und AWS … ist teuer und könnte ganz einfach auf einem eigenen Rechner abgefackelt werden … aber ich kann einen 300 Seiten Schriftsatz mit AI in 10 Sekunden erzeugen … tja … in ein paar Jahren kann die AI das selber und braucht dich einfach nicht mehr … werde jetzt Biobauer in Nordnorwegen …