Ich ziehe mal ein Thema heraus, welches IT-Entscheider unter den Blog-Lesern tangiert, sofern sie für SAP verantwortlich sind. 2027 läuft ja bei SAP der Mainstream-Support für das SAP ECC ERP-System aus, 2030 fällt dann auch der Extended Support. Kunden müssen bis dahin auf s4/Hana gewechselt sein, wenn sie nicht stranden wollen. Vertreter der deutschsprachigen User-Group befürchten jedoch, dass eine beträchtliche Anzahl Kunden nicht bis 2030 auf s4/Hana wechseln können. Es gibt nicht genügend Berater und Systemintegratoren.
Was ist SAP ECC?
Beim SAP ECC handelt es sich um eine Enterprise Resource Planning-Software (ERP), die On-Premises läuft. Mit dem ERP-System werden Prozesse in den Bereichen Finanzen, Personalwesen, Fertigung, Lieferkette, Services, Beschaffung und mehr unterstützt und automatisiert.
Das Kürzel ECC steht dabei für ERO Central Component, lange Jahre ein Flagschiff von SAP. ECC umfasst eine Vielzahl eigenständiger Anwendungen, die die Speicherung, Abfrage, Analyse und Verarbeitung von internen Datensätzen unterstützen.
Ende 2027 läuft der kostenlose Support von SAP ECC 6.0 aus. Drei Jahre später, Ende 2030, wird dann von SAP auch der erweiterte, kostenpflichtige Support enden. Zu diesem Zeitpunkt müssen Kunden spätestens zu s4/Hana oder einem anderen ERP-System migriert sein.
Was ist s4/HANA?
SAP HANA wurde 2010 eingeführt und steht für High-performance ANalytic Appliance und ist eine Multi-Model-Datenbank, die Daten in Ihrem Arbeitsspeicher statt auf einer Festplatte speichert. Die spaltenorientierte In-Memory-Datenbank ermöglicht die parallele Durchführung erweiterter Analysen und die Transaktionsverarbeitung in Hochgeschwindigkeit in einem einzigen System.
Die ermöglicht riesige Datenmengen in nahezu Echtzeit zu verarbeiten und Daten unmittelbar abzufragen. Durch das Speichern der Daten in einer spaltenorientierten Datenbank im Hauptspeicher und das Zusammenführen von Online Analytical Processing (OLAP) und Online Transactional Processing (OLTP) ist SAP HANA deutlich schneller als andere Datenbankmanagementsysteme (DBMS) auf dem Markt.
SAP S/4HANA ist eine ERP-Softwarelösung der SAP SE und Nachfolger des bisherigen Kernprodukts SAP ECC. Das S steht dabei für simple oder suite, die 4 für die vierte Produktgeneration und SAP HANA für die zugrunde liegende Datenbanktechnologie. Das Ganze setzt auf die Cloud und wird in der Programmiersprache ABAP (sowie C) implementiert. Als Betriebssystem kommt Linux zum Einsatz.
Personalprobleme behindern Migration zu s4/HANA
Jens Hungershausen von der DSAG (Deutschsprachige SAP Anwendergruppe) hat nun mit The Register gesprochen und einen Blick auf das Ende des SAP ECC-Support und die Probleme bei der Migration auf s4/HANA für Unternehmen geworfen. Hungershausen befürchtet, dass die Zeit nicht ausreichen werde, um die komplexe und zeitaufwändige Umstellung der technischen und geschäftlichen Abläufe innerhalb des verbleibenden Zeitrahmens bis 2030 (wenn der Support für SAP ECC final endet) durchzuführen, falls Unternehmen noch nicht mit der Umstellung begonnen haben.
SAP hat s4/HANA bereits 2015 eingeführt und versucht Kunden zum Umstieg zu bewegen. Es gibt ein Cloud-Transformationsprogramm „RISE with SAP“, an dem wohl (laut Eigenaussage von SAP) 6.000 Kunden angemeldet sind. Aber die SAP-Kundenbasis ist riesig, und darunter sich Großunternehmen wie Walmart, Airbus und VW.
Eine Umfrage der DSAG und SAP-Anwendern in Deutschland, Österreich und der Schweiz ergab, dass 68 Prozent der Mitglieder noch die ECC/Business Suite-Plattform nutzen. Gleichzeitig gaben 22 Prozent an, dass die ECC/Business Suite für die SAP-Investitionsstrategie im Jahr 2024 relevant sei. Das lässt, so Hungerhausen, Zweifel aufkommen, dass SAP bis Ende 2027 (dann endet der Mainstream-Support für ECC) alle Kunden auf s4/HANA migrieren kann.
Probleme haben SAP-Kunden, die spezifischen Code für ihr ECC geschrieben und das ERP-System an eigene Geschäftsprozesse angepasst haben. Hungerhausen sieht Kunden, die noch nicht mit der Migration auf s4/HANA begonnen haben, die Zeit davon zu laufen. Es sind nicht mal drei Jahre bis zum Ende des Mainstream-Support. Die drei Jahre Extended Support (die Kosten liegen bei 2 % Aufschlag zur Lizenz) bieten zwar einen Puffer, aber es wird Probleme geben.
Gartner hatte im Herbst 2023 festgestellt, dass erst 33 Prozent der SAP-Anwender von ECC weg sind und Lizenzen für s4/HANA gekauft oder abonniert haben. Hungershausen sieht für Firmen, die noch nicht mit der Migration gestartet sind, einige Schwierigkeiten. Es werde einen Mangel an Beratern und Systemintegratoren geben, die Monate und in einigen Fällen über Jahre im Voraus gebucht wurden. Damit dürfte es für Unternehmen schwierig werden, die benötigten Kapazitäten für ein Migrationsprojekt aufzubauen. Der DSAG-Vorsitzende Hungershausen sieht für einige ECC-Anwender sogar Schwierigkeiten, die Deadline zur Migration bis 2030 einzuhalten.
Die Details des Gesprächs mit Hungerhausen lassen sich hier nachlesen. Sofern Leser für das SAP-Umfeld verantwortlich sind: Wie ist da der Status? Läuft die Umstellung auf s4/HANA und gibt es aktuell bereits Probleme, entsprechendes Fachpersonal zu bekommen?
>>> Es gibt nicht genügend Berater und Systemintegratoren. <<<
Na, wenn das mal nicht gute Nachrichten sind. Weniger Berater, weniger Honorare, mehr Ersparnis. Nie war die Gelegenheit günstiger als jetzt, sein System mal so richtig kennen zu lernen. Und RTFM hat noch keinem geschadet!
Ja ne, ist klar, man migriert das mal eben schnell selbst durch RTFM. Kann ja nicht so schwer sein, ne?
Hast du schon mal in irgendeiner Form mit SAP oder einem anderen ERP zu tun gehabt? Also nicht als Anwender, sondern als Admin/Betreuer? Gerade bei solchen Migrationen kommst du ohne Unterstützung des Herstellers nicht allzu weit, da ist die Chance was kaputt zu machen extrem hoch. Und das bei sowas kritischem wie dem ERP. Da hilft dir auch kein Handbuch, zumal die i.d.R mehere Tausend Seiten lang sind. Ausnahme ist natürlich, du warst selber mal entsprechender Berater/Systemintegrator und hast dich dann beim Endkunden fest anstellen lassen. Dann mag das anders aussehen, aber das ist eher Ausnahme denn Regel.
Wenn man eine solche Lösung im Haus hat und sich kein Personal aufgebaut hat um das System, auch ohne externe, Betreiben und Warten zu können, dann erntet man nun das Ergebnis seiner Versäumnisse.
Mein Mitleid hällt sich da stark in Grenzen, sind dann die gleichen Unternehmen die keine Leute ausbilden und von Fachkräftemängel reden oder meinen, dass bei einem Topgehalt auch eine 60-80h Woche normal ist, ohne die extra geleisteten Stunden in irgendeiner Form ausgleichen zu müssen.
Natürlich ist eine Migration ein anderes Aufgabenvolumen, wenn man aber keine oder unzureichend ausgebildete Mitarbeiter hat und alles durch einen Dienstleister erledigt werden muss, dann hat man einfach die letzten Jahre komplett gepennt. Die Kosten einer ERP Lösung beinhaltet halt nicht nur die Lizenz- und Wartungskosten, aber die ganzen BWLer im Controlling rechnen dann alles schön, dass eigenes Person viiiiieeel zu teuer ist.
Wobei ich bei Migrationen eher andere Herausforderungen sehe, z.B. die CNC von ’92 anzubinden, die noch mit MSDOS läuft, ich denke das Problem an der Stelle ist eher, dass das Fachpersonal „wegverrentet“ bzw. „eine aussterbende Art“ ist (sieht man ja jetzt schon bei den AS400 / COBOL / Entwickler für Systeme der Banken).
Die Gehälter von SAP-Beratern waren nach meiner Erinnerung schon seit Jahren sehr hoch, in manchen Vergleichstabellen am oberen Ende, über denen von IT-Leitern. Wäre das jetzt eine passende Situation, umzusatteln und SAP-Berater zu werden? Wenn die so heiß begehrt werden, könnte man so richtig absahnen. Quasi schweizer Einkommensniveau mitten in Deutschland. Gut, um sich ein fettes Polster anzulegen und für den Ruhestand vorzusorgen. Die Kohle ist bei den SAP-Kunden vorhanden, weshalb mein Gewissen diesbezüglich nicht belastet wäre.
Wenn Du die Erfahrungen, die Fähigkeiten und Lust dazu hast, warum nicht. Aber vom Bauchgefühl her: „Lass es“, denn dir fehlt vermutlich der Drive, denn damit wärst Du längst in diesen Schuhen unterwegs. Nicht böse gemeint, ich habe mich vor 30 Jahren als IT-Autor selbständig gemacht – nicht wegen „Schweizer Einkommensniveau“, sondern weil ich dafür gebrannt habe – obwohl das Umfeld meinte, ich sei verrückt und meine Frau immer ganz betröppelt fragte „Was soll ich denn sagen, wenn die Leute erfahren, dass Du Schriftsteller bist und sofort fragen ‚kann man denn davon leben?'“. War ein geiles Berufsleben, das ich nicht missen möchte, auch wenn es Phasen gab, wo ein halbes Jahr nichts in die Kasse kam und magere Jahre dabei waren. Merke: Nicht das Geld war es, sondern das „das will ich jetzt mal machen, koste, was es wolle“.
genau das ist ja das problem, dass es noch immer zu wenige berater für HANA gibt, die meisten satteln gerade selbst von R3 um, und machen „learning on the job“. habe schon von katastrophalen umstellungen gehört
So weit ich das gerade in konkreten Projekten mitbekomme und es in der Vergangenheit erlebt habe, ist die Feststellung fehlender Berater und Systemintegratoren quasi eine Was-bleibt-uns-sonst-noch-übrig?-Diagnose.
Die Kunden scheinen mir zunehmend selbst überfordert und häufig nicht mehr steuerungsfähig.
Konkret gibt es gerade eine Ausnahme, aber da steht die Geschäftsleitung auf der Leine des Umstellungsprojekts, weil es wirklich sehr viel Geld kostet und dieses manchmal auch weniger sprudelt, dort jetzt.
Sonst bräuchte man tatsächlich ganze Beraterheere, um irgendwie den Eindruck des Vorankommens zu machen, weil man eigentlich immer jemanden direkt an allen stellen des Kunden braucht, um dort Bewegung drin zu halten. Sonst fallen die in den Linienbetrieb zurück und die Rückmeldungen kommen am Sanktnimmerleinstag, dann auch noch nur halb.
Das erlebe ich so seit Ewigkeiten. Insbesondere im öffentichen Bereich scheint man davon auszugehen, dass das schon irgendwie ohne eigene Beteiligung klappen wird und Anforderungen an einen selbst grundsätzlich optional sind. Geplant wird aber so, als würde man alles quasi selbst machen.
Für mich persönlich bleibt oft der Eindruck zurück, dass die ausführenden Ebenen speziell so zusammengesetzt wurden, dass die eigentlich keine Ahnung von nichts haben, die Fachleute sind im Tagesbetrieb absolut vollbeschäftigt, weil der der kann, halt auch muss. Und dass das Scheiternlassen eine eingepreiste Option ist, gleich verbunden mit der von vorneherein feststehenden Quintessenz, dass beim Dienstleister nicht genügend Fachleute aufs Projekt angesetzt wurden oder der irgendwie aus anderen Gründen die Schuld kriegen wird.
Und das Scheitern scheint dann auf der ausführenden Ebene keinen was anzugehen, weil man ja die ganze Zeit die eigene Führungsetage mit dem eigenen Blickwinkel füttert, der die eigenen Pflichten quasi negiert.
Alle paar Monate gibt es dann auf höchster Ebene Eskalationstermine, es nimmt mal wieder Schwung auf und nicht lange danach fällt es wieder ins alte Muster zurück und zum Absprachetermin ist von den besprochenen Entscheidungen wieder nichts zu sehen, plötzlich braucht man noch zehn Meetings, um Fragen erneut zu klären und fällt wieder auf einen Stand von vor Wochen zurück.
Gut, das ist hauptsächlich der öffentliche Bereich.
Bei den Firmenkunden ist da mehr Drive und Engagement drin, aber auch da sind die Ressourcen begrenzt, die Fachleute Mangelware und das wirtschaftliche Umfeld scheinbar ein akutes Problem.
Bei allen finde ich es aber erschreckend, dass bei konkreten Klärungen immer wieder das selbe Fazit ansteht: die Leute wissen nicht genau, was sie tun und man braucht Tage, um einfachste Informationen zusammen zu tragen.
„Was passiert eigentlich, nachdem das Dokument hier eingegangen ist?“ „Ich bin selbst noch neu hier“ / „das ist hier x-mal umstrukturiert worden, ich frage mal Kollege X was das jetzt für eine Abteilung ist“ / „dafür haben wir Euch doch eingekauft“ usw…
Was ich so sehe, sind also Organisationen, die irgendwie noch vor sich hin funktionieren, wo irgendjemand irgendwas macht und irgendwie läuft das noch zusammen. Wenn Du aber wissen willst, wie du den konkreten Fall betrachten sollst, dann muss du jede Station einzeln besuchen und kannst Dir danach selbst ein Bild malen.
Eigentlich braucht es dafür nicht mehr Spezialisten, sondern entweder ein Heer von Hilfskräften oder ein Festnageln auf den Auftrag, bei dem die Führungsetage ja der Meinung war, ganz genau zu wissen, wie ihr Laden läuft.
Ich bin mal gespannt, wie viele im avisierten Zeitraum krachend scheitern und mit welcher Diagnose das dann in die Nachrichten kommt…
Danke für diese Insights – und jetzt nehmen wir noch die Sätze „wir müssen digitalisieren“ und „Digitalisierung first, Bedenken second“, die wie ein Credo von den nicht durchblickenden Politikern und Entscheidungsträgern angeführt werden, mischen noch eine Prise „AI muss her“ dazwischen – schon haben wir das perfekte Desaster für die aufziehende IT-Katastrophe.
In diesem Kontext fällt mir der Kommentar von Dennis Kipker zum Thema Abofalle und Techriesen ein (wenn auch SAP ursprünglich ein deutsches Unternehmen ist, was aber auch auf Cloud, Abo und Abhängigkeiten setzt“. Hier der Link zum Kommentar.