Sensation: Wissenschaftler finden Manganknollen, die Sauerstoff produzieren

Eine Entdeckung in den dunklen Tiefen des Pazifischen Ozeans stellt den wissenschaftlichen Konsens darüber in Frage, wie Sauerstoff produziert wird, und hat sogar die Frage aufgeworfen, wie das Leben auf der Erde begann. Wissenschaftler haben am Meeresgrund Manganknollen entdeckt, die Sauerstoff produzieren. Bisher war dies nur lebenden Zellen zugeschrieben worden. Ergänzung: Eine Bergbaufirma kritisiert die Studie und stellt die Ergebnisse infrage – Details finden sich hier.

Sauerstoff, wo kommt er her?

Ich zitiere mal aus dieser Veröffentlichung des Max-Planck-Instituts in Bremen, die sich mit der Frage befasst, wie Sauerstoff auf der Erde entstand und noch entsteht:

Prak­tisch der ge­sam­te Sau­er­stoff auf der Erde ent­stand und ent­steht durch Pho­to­syn­the­se. Sie wur­de von win­zi­gen Or­ga­nis­men, den Cya­no­bak­te­ri­en, er­fun­den, als un­ser Pla­net noch ein recht un­wirt­li­cher Ort war.

Cya­no­bak­te­ri­en ent­wi­ckel­ten sich vor mehr als 2,4 Mil­li­ar­den Jah­ren, aber die Erde wan­del­te sich nur lang­sam zu dem sau­er­stoff­rei­chen Pla­ne­ten, den wir heu­te ken­nen. „Noch ist nicht ganz klar, war­um es so lan­ge ge­dau­ert hat und was ge­nau die Sau­er­stoff­an­rei­che­rung auf der Erde steu­er­te", sagt Ju­dith Klatt, Geo­mi­kro­bio­lo­gin am Max-Planck-In­sti­tut für Ma­ri­ne Mi­kro­bio­lo­gie.

In der Veröffentlichung befasst sich die Geomikrobiologin mit der Frage, warum es erst sehr spät zu einer Sauerstoffanreicherung in der Erdatmosphäre kam. So viel als Vorspann, um die nachfolgende Erkenntnis einzuordnen.

Manganknollen erzeugen Sauerstoff

Forscher der Scottish Association for Marine Science (SAMS) haben bei der Untersuchung des Meeresbodens, auf dem Mangan-Knollen abgebaut werden sollen, eine spannende Entdeckung gemacht, wie sie hier schreiben.

Photosynthetische Organismen wie Pflanzen und Algen nutzen die Energie des Sonnenlichts, um den Sauerstoff der Erde zu erzeugen. Neue Erkenntnisse, die in Nature Geoscience veröffentlicht wurden, haben jedoch gezeigt, dass Sauerstoff auch in völliger Dunkelheit am Meeresboden in 4.000 Metern Tiefe produziert wird, wo kein Licht eindringen kann.

Ein Team unter der Leitung von Prof. Andrew Sweetman von der Scottish Association for Marine Science (SAMS) in Oban, einem Partner der UHI, machte die Entdeckung des "dunklen Sauerstoffs" während einer Forschungsfahrt im Pazifik.

Prof. Sweetman sagte: "Damit aerobes Leben auf der Erde entstehen konnte, musste es Sauerstoff geben, und wir gingen bisher davon aus, dass die Sauerstoffversorgung der Erde mit photosynthetischen Organismen begann. Aber wir wissen jetzt, dass Sauerstoff in der Tiefsee produziert wird, wo es kein Licht gibt. Ich denke daher, dass wir die Frage neu stellen müssen: Wo könnte aerobes Leben begonnen haben?"

Die Entdeckung wurde bei der Erforschung bzw. Beprobung des Meeresbodens in der Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik gemacht. Mit der Forschungsfahrt sollten die möglichen Auswirkungen des Tiefseebergbaus bewertet werden. Beim Tiefseebergbau sollen polymetallische Knollen, die Metalle wie Mangan, Nickel und Kobalt enthalten, abgebaut werden. Solche Metalle werden zur Herstellung von Lithium-Ionen-Batterien für Elektrofahrzeuge und Mobiltelefone benötigt werden.

Bei Messungen fanden die Forscher am Meeresboden Sauerstoffkonzentrationen, die höher als die Abbaurate waren. Es musste also etwas Sauerstoff produzieren, und Photosynthese konnte es in 4000 Meter Tiefe unter der Meeresoberfläche nicht sein – denn dort kommt kein Licht hing.

Als diese Daten zum ersten Mal gemessen wurden, dachten die Forscher, die Sensoren seien defekt. Denn bei jeder Studie, die jemals in der Tiefsee durchgeführt wurde, wurde nur Sauerstoff verbraucht und nicht produziert. Als die Forscher nach Hause kamen, kalibrierten sie die Sensoren neu. Aber im Laufe von 10 Jahren tauchten immer wieder diese seltsamen Sauerstoffwerte auf.

"Wir beschlossen, eine Backup-Methode zu verwenden, die anders funktionierte als die von uns verwendeten Optodensensoren, und als beide Methoden das gleiche Ergebnis lieferten, wussten wir, dass wir etwas Bahnbrechendem und Unerwartetem auf der Spur waren." sagte einer der Forscher.

In den Experimenten stellten Prof. Sweetman und Kollegen fest, dass der Sauerstoff von Manganknollen erzeugt wurde. Die Knollen tragen eine sehr hohe elektrische Ladung, die zur Aufspaltung von Meerwasser in Wasserstoff und Sauerstoff führen könnte. Es findet also der Prozess der Meerwasserelektrolyse statt, bei der Sauerstoff entsteht. Für die Meerwasserelektrolyse ist nur eine Spannung von 1,5 V erforderlich – die gleiche Spannung wie eine typische AA-Batterie.

Das Team analysierte mehrere Knollen und verzeichnete auf der Oberfläche einiger Knollen Messwerte von bis zu 0,95 Volt, was bedeutet, dass erhebliche Spannungen auftreten können, wenn die Knollen in einer Gruppe angeordnet sind.

Prof. Sweetman sagt nun, dass weitere Untersuchungen zur Produktion von "dunklem Sauerstoff" während der Erforschung der Tiefsee für den Tiefseebergbau erforderlich sind. "Durch diese Entdeckung haben wir viele unbeantwortete Fragen aufgeworfen, und ich denke, wir müssen uns viele Gedanken darüber machen, wie wir diese Knollen abbauen können, die quasi Batterien in einem Gestein sind."

SAMS-Direktor Prof. Nicholas Owens sagte: "Meiner Meinung nach ist dies eine der aufregendsten Entdeckungen in der Meeresforschung der letzten Zeit.

Die Entdeckung der Sauerstoffproduktion durch einen nicht-photosynthetischen Prozess zwingt uns, neu zu überdenken, wie die Evolution des komplexen Lebens auf unserem Planeten entstanden sein könnte. Nach herkömmlicher Auffassung wurde Sauerstoff erstmals vor etwa drei Milliarden Jahren von uralten Mikroben, den so genannten Cyanobakterien, produziert, und danach entwickelte sich allmählich komplexes Leben. Die Möglichkeit, dass es eine andere Quelle gab, erfordert ein radikales Umdenken."

Deutschsprachige Artikel zu dieser Entdeckung finden sich bei wissenschaft.de und in der Online-Ausgabe der Süddeutsche Zeitung.

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