Voyager-1: NASA kann Triebwerk nach 47 Jahren starten

Die alternde und am Rande unseres Sonnensystems fliegende Raumsonde Voyager-1 wird zunehmend von technischen Problemen geplagt. So machen die Triebwerke zur Lagekontrolle wegen verstopfter Treibstoffleitungen Probleme. Nun haben NASA-Techniker ein Triebwerk nach langer Zeit wieder in Betrieb nehmen können.

Voyager 1 fliegt zwischen den Sternen

Als diese Raumsonde gebaut wurde, war ich teilweise noch Lehrling. Am 5. September 1977 wurde Voyager 1 gestartet, und auf eine unglaubliche Reise geschickt. Damals war ich noch ein junger Ingenieurstudent, der der Mission entgegen fieberte.

Voyager-Raumsonde
(Voyager-Raumsonde, künstlerische Darstellung NASA/JPL)

Voyager 1 flog an den Planeten Jupiter und Saturn vorbei, um anschließend das Sonnensystem in Richtung interstellarer Raum zu verlassen. Inzwischen ist die Sonde 47 Jahre im Weltraum unterwegs und hat bereits zwischen 2010 bis 2012 (genau weiß man das nicht, da das betreffende Messgerät ausgefallen ist) unser Sonnensystem verlassen.

Die US-Raumsonde Voyager 1 fliegt daher am äußersten Rand des Sonnensystems bereits im "Raum zwischen den Sternen". Das Gleiche ist bei Schwestersonde Voyager 2 der Fall. Beide Sonden forschen mit den Instrumenten, die noch funktionieren und senden Daten zur Erde zurück.

Sorgenkinder der NASA-Techniker

Aber die beiden Raumsonden, die immer noch funktionieren, sind inzwischen "Sorgenkinder" der NASA-Techniker. Einerseits ist es eine unglaubliche Möglichkeit für die Wissenschaft, "dort weit draußen" mit Instrumenten zu messen und so forschen zu können. Und es ist unglaublich, dass die Sonden nach so langer Zeit immer noch funktionieren.

Andererseits werden beide Raumsonden durch Energiemangel und Ausfälle geplagt. So weit draußen funktionieren keine Solarzellen zur Stromerzeugung mehr. Beide Sonden werden durch Radionukloid-Zellen mit Strom versorgt. Aber deren Leitung nimmt mit der Zeit ab, so dass inzwischen nur noch begrenzte Energie zur Verfügung steht. Aus diesem Grund hat man einige Instrumente, teilweise auch ausgefallene Komponenten, abgeschaltet, um Strom zu sparen.

Weiterhin gibt es immer mal wieder technische Probleme mit den Computern und der Lageregelung der Sonden (siehe Links am Artikelende), die über wochenlange Technikersitzungen bisher behoben werden konnten. Auch hier gibt es riesige Herausforderungen: Es ist nur noch ein kleines Team an Technikern im Einsatz, um die Sonden funktionsfähig zu halten und die Kommunikation zu überwachen.

Bei einem Fehler besteht weiterhin das Problem, dass niemand, der an der Entwicklung und beim Bau der Sonden beteiligt war, mehr im Dienst ist. Die Leute sind pensioniert und teilweise verstorben. Unterlagen wurden beim Ausscheiden mitgenommen und lagern auf Speichern, in Garagen oder Kellern. Die NASA hat schon einige Aktionen unternommen, um an verschollene Unterlagen heranzukommen.

Triebwerksprobleme wegen verstopfter Leitungen

Die Sonden müssen durch kleine Lageregelungstriebwerke so gesteuert werden, dass die Antenne zur Kommunikation mit der Erde ausgerichtet wird. Die Triebwerke werden mit flüssigem Hydrazin betrieben, das in Gase umgewandelt und in zehn Millisekunden langen Stößen freigesetzt wird, um die Antenne des Raumfahrzeugs sanft zur Erde zu neigen.

Aber es gibt Probleme: Nach 47 Jahren ist ein Treibstoffrohr im Inneren der Triebwerke mit Siliziumdioxid verstopft. Das Siliziumdioxid ist ein Nebenprodukt, das mit zunehmendem Alter aus einer Gummimembran im Treibstofftank des Raumfahrzeugs austritt. Während die Rohre ursprünglich einen Durchmesser von 0,25 Millimeter aufwiesen, wurde dieser durch die Verstopfung auf 0,035 mm verkleinert. Das entspricht etwa der Hälfte der Breite eines menschlichen Haares.

Die verstopften Rohre befinden sich im Inneren der Triebwerke und leiten den Treibstoff zu den Katalysatorbetten, wo er in Gase umgewandelt wird. Die Verstopfung verringert die Effizienz der Schubdüsen. Bei voll funktionsfähigen Schubdüsen sind in etwa 40 dieser kurzen Impulse pro Tag zur Ausrichtung erforderlich. Beide Voyager-Sonden verfügen über drei Triebwerkssätze:

  • zwei Sätze von Lageregelungstriebwerken
  • und einen Satz von Flugbahnkorrekturmanövertriebwerken.

Während der Planetenvorbeiflüge der Mission wurden beide Arten von Triebwerken für unterschiedliche Zwecke eingesetzt. Da sich Voyager 1 jedoch auf einer unveränderlichen Bahn außerhalb des Sonnensystems bewegt, besteht kein Bedarf mehr für Flugbahnkorrekturen. Daher können auch diese Triebwerke mit zur Lagekontrolle, um die Sonde mit ihrer Antenne auf die Erde auszurichten, verwendet werden.

Im Jahr 2002 bemerkte das Ingenieurteam am Jet Propulsion Laboratory der NASA, das für die Mission verantwortlich ist, dass einige Treibstoffrohre der für die Lagekontrolle verantwortlichen Düsen des verwendeten Triebwerkssatzes verstopft waren. Das Team wies die Bordcomputer an, einen zweiten Satz Schubdüsen zur Lageregelung zu verwenden.

Als diese Konstellation 2018 ebenfalls Anzeichen einer Verstopfung aufwies, wechselte das Team zu den Triebwerken für die Flugbahnkorrekturmanöver und verwendet seitdem diese Schubdüsen zur Lagekontrolle. Jetzt sind die Rohre der Flugbahnkorrekturtriebwerke noch stärker verstopft als die ursprünglichen Rohre der Lageregelungsdüsen, die das Team 2018 abschaltete.

Umschaltung auf alten Triebwerkssatz

Angesichts der Lage fiel der Beschluss, auf die 2002 abgeschalteten Triebwerke zur Lagekontrolle zurück zu gehen. Nach wochenlanger sorgfältiger Planung stellte das Team die Lagekontrolle des Raumfahrzeugs auf den alten Satz von Triebwerken um, wie die NASA hier schreibt.

Diese Umschaltung der Triebwerke wäre im Jahr 1980 oder sogar 2002 ein relativ einfacher Vorgang gewesen – denn es stand damals genug elektrische Energie zur Verfügung, um die Triebwerke aufzuwärmen. Angesichts der aktuellen Energieversorgungslage ist das aber ein kompliziertes Unterfangen.

Die NASA schreibt, dass das Alter des Raumfahrzeugs neue Herausforderungen, vor allem in Bezug auf Stromversorgung und Temperatur, mit sich gebracht habe. Die Missionskontrolle hat inzwischen bei beiden Raumfahrzeugen alle nicht unbedingt erforderlichen Bordsysteme, einschließlich einiger Heizungen, abgeschaltet, um die allmählich nachlassende elektrische Energieversorgung, die durch den Zerfall von Plutonium erzeugt wird, zu schonen.

Diese Maßnahmen haben zwar zu einer Verringerung des Stromverbrauchs geführt, aber auch zu einer Abkühlung des Raumfahrzeugs, die durch den Ausfall anderer nicht lebensnotwendiger Systeme, die Wärme erzeugten, noch verstärkt wurde. Infolgedessen sind die Stränge der Lageantriebsdüsen kalt geworden. Schaltet man die Düsen in diesem Zustand ein, könnten sie beschädigt und unbrauchbar werden.

Das Team kam zum Schluss, dass es am besten wäre, die Triebwerke vor dem Umschalten aufzuwärmen. Dazu wurden in der Vergangenheit die bisher als unwichtig erachteten Heizungen zeitweise eingeschaltet. Doch auch hier gab es ein Problem: Die Energieversorgung des Raumschiffs ist inzwischen so gering, dass das Einschalten nicht notwendiger Heizungen bedeuten würde, dass die Missionskontrolle etwas anderes abschalten müsste, um die Heizungen mit ausreichend Strom zu versorgen. Aber alles, was derzeit in Betrieb ist, gilt als notwendig.

Bei der Untersuchung des Problems wurde das Abschalten eines der noch in Betrieb befindlichen wissenschaftlichen Instrumente für eine begrenzte Zeit ausgeschlossen da die Gefahr bestand, dass das Instrument nicht wieder in Betrieb gehen würde. Nach weiteren Untersuchungen und Planungen kam das Ingenieurteam zu dem Schluss, dass es möglich war, eine der Hauptheizungen des Raumfahrzeugs für bis zu einer Stunde abzuschalten, um so genügend Energie für die Heizungen der Triebwerke bereitzustellen.

Am 27. August 2024 bestätigte das NASA Team am JPL, dass der benötigte Triebwerkszweig wieder in Betrieb ist und Voyager 1 so ausrichtet, dass die Antenne in Richtung Erde zeigt. "Alle Entscheidungen, die wir in Zukunft treffen müssen, erfordern nun viel mehr Analysen und Vorsicht als früher", sagte Suzanne Dodd, Projektleiterin der Voyager am Jet Propulsion Laboratory, das die Voyager für die NASA verwaltet.

Die Raumsonde erforscht also weiter den interstellaren Raum, also die Region außerhalb der von der Sonne erzeugten Blase aus Teilchen und Magnetfeldern, in die wahrscheinlich für lange Zeit keine anderen Raumsonden vordringen werden. Das Wissenschaftsteam der Mission ist bestrebt, die Voyager-Sonden so lange wie möglich in Betrieb zu halten, damit sie weiterhin Aufschluss über die interstellare Umgebung geben können.

Man geht aber davon aus, dass die Energieversorgung irgendwann in den kommenden 10 Jahren so schwach wird, dass die Sonde ausfällt. Der Hydrazin-Treibstoff für die Lageregelung wird laut Wikipedia zwar noch mindestens bis 2040 ausreichen. Wesentlich kritischer ist die Energieversorgung: Aufgrund des fortschreitenden radioaktiven Kernzerfalls in den Radionuklidbatterien sowie der Abnutzung der thermoelektrischen Elemente sinkt die zur Verfügung stehende elektrische Leistung um ca. 4 W pro Jahr.

Durch Abschaltung einiger nicht-essenzieller Systeme (Instrumente, Heizelemente etc.) ist es immer wieder gelungen, die Lebensdauer der Sonde zu verlängern. Im Jahr 2026 muss vermutlich ein weiterer Sensor abgeschaltet werden. Und irgendwann ist dann Schluss, es ist nicht mehr genügend Strom da. (via)

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