In der Stadt Kawagoe (川越市) gab es, neben kleinen Geschäften – teilweise im Stil der 50er Jahre des vorherigen Jahrtausends (die ich mal als Gemischtwarenläden bezeichnen würde) – auch verschiedene moderne Kaufhäuser. Und in einem dieser Kaufhäuser spielte sich das nachfolgend beschriebene Ereignis ab, welches mir, ein viertel Jahrhundert später, prägend in Erinnerung geblieben ist.
Ein gewisses Problem stellte bei Einkäufen die Sprache dar, da in Kawagoe kaum jemand der Einwohner (außen den japanischen Arbeitskollegen) englisch sprach. Kawagoe war Provinz und alles mit japanischen Schriftzeichen und ohne Straßennahmen versehen. Aber nach ein paar Tagen kannte ich mich recht gut aus, um vom Ryokan (Hotel) zum Bahnhof zu gelangen und von dort zur Arbeitsstelle zu fahren.
Im Rahmen eines meiner Aufenthalte wollte ich mir ein japanische Tee-Service sowie verschiedene japanische Lackschalen (Saroshi) kaufen. Ich hatte mir dazu ein Kaufhaus in der Einkaufstraße auserkoren – in der irrigen Annahme, dass die Verkäufer dort zumindest über einige Englischkenntnisse verfügten. Erinnerungsmäßig habe ich das Kaufhaus sehr früh am Morgen, entweder vor der Fahrt zur Arbeit oder an einem Samstag aufgesucht, um den Tag noch vor Hand zu haben.
Als ich ankam, waren die Glastüren noch geschlossen, es warteten nur zwei Japanerinnen auf Einlass, um Einkäufe zu tätigen. Pünktlich um 9:00 öffneten Verkäuferinnen die Eingangstüren – so wie es als Öffnungszeit auch an der Tür angeschlagen war. Die tiefen Verbeugungen, die das Personal nach dem Öffnen der Türen ausführte, um die Kunden zu begrüßen, nahm ich noch locker zur Kenntnis. Die beiden japanischen Kundinnen bewegten sich ebenfalls vor den Verkäuferinnen verbeugend und etwas murmelnd auf das Warenangebot im Erdgeschoss zu.
Ich selbst war bereits vor Tagen in diesem Kaufhaus gewesen und wusste daher, dass die Lackschalen im obersten Stockwerk (ich glaube, es war der fünfte Stock) angeboten wurden. Also eilte ich mit riesigen Schritten die Treppenaufgänge zu diesem Stockwerk hinauf. Da ich damit der erste Kunde war, wurde ich auf jedem Stockwerk von dem dort zuständigen Verkaufspersonal mit tiefen Verbeugungen und Gemurmel begrüßt. Nach dem ersten Stock war ich bereits leicht pikiert, weil ich keinen Schimmer hatte, wie ich mich verhalten sollte. Wäre eine Verbeugung angebracht gewesen? Was murmelten die Verkäufer beim Verbeugen und was hätte ich antworten sollen?
Also entschloss ich mich (auch weil ich wenig Zeit hatte), die Treppenaufgänge möglichst “fluchtartig” in Richtung oberstes Stockwerk zu durcheilen und die Begrüßung durch das Personal so gut wie möglich zu ignorieren. Die sahen ja, dass ich ein Gaijin war. Im obersten Stockwerk musste ich notgedrungen die Begrüßung durch die Verkäuferinnen über mich ergehen lassen. Anschließend ging ich zielstrebig in die Ecke, wo die Tee-Services und Lackschalen ausgestellt waren. Eine junge Verkäuferin folgte mir. Wie sich schnell heraus stellte, sprach sie kein Wort englisch. Aber ich konnte mein Anliegen gut durch Gesten und zeigen auf die gewünschten Waren deutlich machen.
Nach kurzer Zeit hatte ich die gewünschten Waren – und den Preis zeigte die Verkäuferin durch Eintippen auf einem Taschenrechner. Also bezahlte ich und hoffte, binnen zwei Minuten weiter zu können. Aber ich hatte die Rechnung ohne den Wirt bzw. die Verkäuferin gemacht. In Japan ist neben der Auswahl einer Ware die Verpackung das Wichtigste – speziell, wenn es sich um ein Geschenk oder ein Mitbringsel handelt. Da ich als Gaijin so was kaufte, war klar, dass es ein Mitbringsel sein dürfte. Also begann die Verkäuferin die gekauften Waren kunstvoll zu verpacken, was ca. eine viertel bis eine halbe Stunde (zumindest kam es mir so vor) dauerte. Also ich endlich fertig war und die verpackten Waren bekam, eilte ich aus dem Kaufhaus auf die Straße zurück. Im obersten Stockwerk wurde ich von den Verkäuferinnen erneut mit tiefen Verbeugungen verabschiedet. Aber zumindest lauerten an den Treppenabgängen zum Erdgeschoss keine Armada von sich verbeugenden Verkäuferinnen – so dass ich ziemlich ungeschoren davon kam. Das war der Augenblick, wo ich mir geschworen habe, niemals wieder als erster Kunde des Tages ein Geschäft in Japan zu betreten.
In nachfolgendem Video gibt es übrigens noch ein paar Eindrücke eines Video-Bloggers vom Einkaufen in den älteren Geschäften von Kawagoe.
(Video: YouTube)