Türkei: Bei Ausgabungen neue Sprache auf Tontafel entdeckt

In Boğazköy-Hattuša in der nördlichen Zentraltürkei wurde bei archäologischen Grabungen eine Tontafel entdeckt. Nach Auswertung war klar, dass diese Tontafel eine bisher unbekannte indogermanischen Sprache offen gelegt hat.

Die Universität Würzburg hat diese Entdeckung in dieser Meldung mitgeteilt, weil der Würzburger Altorientalist Professor Daniel Schwemer an der Erforschung des Fundes mitwirkte.

Grabungen in der Türkei

Seit mehr als 100 Jahren laufen unter der Leitung des Deutschen Archäologischen Instituts Ausgrabungen in Boğazköy-Hattuša. Der in der nördlichen Zentraltürkei liegende Ort gehört seit 1986 zum UNESCO-Weltkulturerbe, und war Siedlungsgebiet der Hethiter.

Die Hethiter waren ein kleinasiatisches Volk des Altertums, das im 2. Jahrtausend v. Chr. auch in Syrien und Kanaan politisch und militärisch einflussreich war. Ihre Hauptstadt war die meiste Zeit Ḫattuša, unmittelbar beim heutigen Ort Boğazkale in der nördlichen Zentraltürkei. Die eigentliche Ausgrabungsstätte Boğazköy-Hattuša liegt dort, wo einst die Hauptstadt des hethitischen Reiches bestand. Die Hethiter waren eine der Großmächte Westasiens während der späten Bronzezeit (1650 bis 1200 vor Christus).

An der Grabungsstätte wurden bislang fast 30.000 Tontafeln mit Keilschrift gefunden. Diese Tafeln, die 2001 ins UNESCO-Weltdokumentenerbe aufgenommen wurden, liefern reichhaltige Informationen über die Geschichte, Gesellschaft, Wirtschaft und die religiösen Traditionen der Hethiter und ihrer Nachbarn.

Tontafel mit neuer Sprache

Die meisten Texte auf den Tontafeln sind in hethitischer Sprache verfasst. Das ist die älteste bezeugte indogermanischen Sprache und der vorherrschenden Sprache in Boğazköy-Hattuša. Nun brachten die Ausgrabungen des Jahres 2023 eine Überraschung zutage: In einem Ritualtext, der in hethitischer Sprache verfasst ist, ist eine Rezitation in einer bisher unbekannten Sprache versteckt. Das berichtet der derzeitige Leiter der Ausgrabungsstätte, Professor Andreas Schachner von der Istanbuler Abteilung des Deutschen Archäologischen Instituts.

Hethiter waren an fremden Sprachen interessiert

Professor Daniel Schwemer, Leiter des Lehrstuhls für Altorientalistik an der Julius-Maximilians-Universität (JMU) Würzburg, bearbeitet die keilschriftlichen Funde der Ausgrabung. Er berichtet, dass der hethitische Ritualtext das neue Idiom als Sprache des Landes Kalašma bezeichnet. Das ist eine Gegend am nordwestlichen Rand des hethitischen Kernlandes, wahrscheinlich in der Gegend des heutigen Bolu oder Gerede.

Die Entdeckung einer weiteren Sprache in den Archiven von Boğazköy-Hattuša sei nicht völlig unerwartet, wie Daniel Schwemer erklärt: "Die Hethiter waren in einzigartiger Weise daran interessiert, Rituale in fremden Sprachen aufzuzeichnen."

Solche Ritualtexte, die von Schreibern des hethitischen Königs verfasst wurden, spiegeln verschiedene anatolische, syrische und mesopotamische Traditionen und sprachliche Milieus wider. Sie geben Einblicke in die wenig bekannten sprachlichen Landschaften des spätbronzezeitlichen Anatoliens, wo nicht nur Hethitisch gesprochen wurde.

So enthalten Keilschrifttexte aus Boğazköy-Hattuša auch Passagen in Luwisch und Palaisch, zwei weiteren anatolisch-indoeuropäischen Sprachen, die eng mit dem Hethitischen verwandt sind, sowie in Hattisch, einer nicht-indoeuropäischen Sprache. Jetzt kann die Sprache von Kalašma zu diesen Sprachen hinzugefügt werden.

Genauere Einordnung der neuen Sprache ist in Arbeit

Noch ist der Kalašma-Text weitgehend unverständlich. Daniel Schwemers Kollegin Professorin Elisabeth Rieken von der Philipps-Universität Marburg, eine Spezialistin für altanatolische Sprachen, hat bestätigt, dass das Idiom zur Familie der anatolisch-indoeuropäischen Sprachen gehört. Ihr zufolge scheint der Text trotz seiner geografischen Nähe zum palaischen Sprachgebiet mehr Merkmale mit dem Luwischen zu teilen. Wie eng die Sprache von Kalašma mit den anderen luwischen Dialekten des spätbronzezeitlichen Anatoliens verwandt ist, wird nun Gegenstand weiterer Untersuchungen sein.

Dieser Beitrag wurde unter Wissenschaft abgelegt und mit verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert