Auf der Schwäbischen Alb muss es in der Altsteinzeit – so vor 38.000 Jahren – eine "bedeutsame Elfenbeinwerkstatt" bei Blaubeuren gegeben haben. Tübinger Archäologen haben bereits 2019 das bislang größte altsteinzeitliche Werkzeug in einem Grabungsgebiet gefunden: Einen Meißel aus Elfenbein.
Der Hohle Fels am Rande der Schwäbischen Alb war in der jüngeren Altsteinzeit eine bedeutsame Elfenbeinwerkstatt, schreiben die Forscher in einer Mitteilung und sprechen hier sogar von einer "Elfenbeinzeit" vor 38.000 Jahren. Große Mengen an Spänen und Splittern von Mammutstoßzähnen, aber auch spektakuläre Schnitzarbeiten wie die weltberühmte Venus wurden in der Höhle geborgen.
Funde aus 2019
Neue Funde könnten nun genaueren Aufschluss darüber geben, welche Werkzeugtechniken die Menschen vor 38.000 Jahren anwandten: Professor Nicholas Conard und Dr. Sibylle Wolf vom Senckenberg Centre for Human Evolution and Palaeoenvironment (SHEP) an der Universität Tübingen präsentierten Mitte Juli 2020 im Urgeschichtlichen Museum Blaubeuren drei Meißel aus Mammutelfenbein, die vermutlich unterschiedlichen handwerklichen Zwecken dienten.

Hohle Fels – Meißel; Quelle: Pressemitteilung Universität Tübingen
"Wir konnten in den vergangenen Jahren schon gelegentlich solche Gegenstände aus Knochen, Geweih oder Elfenbein ausgraben und sie als Werkzeug bestimmen", sagt Conard. "Eine solche Konzentration dieser Werkzeuge haben wir jedoch noch nie entdeckt – es ist ein regelrechter Werkzeug-Satz."
Die Funde aus dem Jahr 2019 sind zwischen 14 und 22 Zentimetern lang, bis zu vier Zentimeter breit und wurden vor mehr als 38.000 Jahren aus den härtesten Teilen von Mammutstoßzähnen gefertigt. Die drei konisch flach zulaufenden Elfenbeinstäbe zeigen deutliche Absplitterungen und Ausfransungen an den Enden, die eine intensive Nutzung als Werkzeug belegen. "Wir sprechen hier wegen der charakteristischen Form der Funde von Meißeln", erklärt Conard, "tatsächlich aber muss in weiteren Analysen und Experimenten nachvollzogen werden, welche Funktionen die Werkzeuge tatsächlich hatten. Wie es aussieht, wurden sie als Multifunktionswerkzeuge benutzt, um unterschiedliche organische Materialien wie Elfenbein, Holz, Knochen oder Geweih zu bearbeiten."
Dr. Sibylle Wolf, wissenschaftliche Koordinatorin des Senckenberg Centre SHEP und Elfenbeinexpertin im Team Conards, hat die Fundstücke unter dem Mikroskop begutachtet und kommt zu dem Schluss, dass sie zunächst als Spitze und später umgearbeitet als Meißel, Keil, Stößel und Schlagwerkzeug genutzt worden sein könnten.
"Die Abnutzungen sprechen dafür, dass die Werkzeuge mit großer Wucht eingesetzt wurden", sagt Wolf. "Denkbar wäre, dass einerseits mit dem schlanken Ende Materialien gespalten wurden und dass andererseits das dicke Ende als Schlagwerkzeug oder eine Art Stößel diente, etwa um andere Materialien zu zerkleinern."
Immer wieder spannend, aus Funden in Höhlen und Grabungsstellen zu erfahren, was unsere fernen Vorfahren alles so konnten.



