Es ist ein Planet, der sich weit draußen, außerhalb unseres Sonnensystems, frei im Weltraum bewegt. Der Planet, der um keine Sonne kreist, saugt Staub und Gas in seiner Nähe auf und wächst mit einer Rekordgeschwindigkeit von sechs Milliarden Tonnen Massezunahme pro Sekunde an.
Der Exo-Planet Cha 1107-7626
Der Exo-Planet Cha 1107-7626 ist ein frei schwebendes Objekt mit planetarer Masse in der Sternentstehungsregion Chamaeleon I und befindet sich etwa 620 Lichtjahre vom Sonnensystem entfernt. Das Objekt oder der Exo-Planet, wie ich ihn mal bezeichne, wurde 2008 von Kevin Luhman et al. mit dem Spitzer-Weltraumteleskop und dem Magellan-II-Teleskop entdeckt.
Die Spitzer-Photometrie zeigte Daten, die darauf hindeuten, dass das Objekt von einer zirkumplanetaren Scheibe umgeben ist. Laut Wikipedia zeigt das optische Spektrum, dass das Objekt mit planetarer Masse aktiv Wasserstoffgas aus der umgebenden Scheibe einsammelt. Es ist das Objekt mit der geringsten Masse, in dessen "Staub-"Scheibe Kohlenwasserstoffe nachgewiesen wurden (Stand Mai 2025).
Neue Erkenntnisse der ESO zu Cha 1107-7626
Anfang Oktober 2025 wurden von der europäischen Südsternwarte (ESO) zu diesem Objekt neue Forschungsergebnisse mitgeteilt. Die Astronominnen und Astronomen an der Südsternwarte haben einen gewaltigen Wachstumsschub bei diesem sogenannten Einzelgänger-Planeten entdeckt.
Sechs Milliarden Tonnen pro Sekunde Massezuwachs
Wie bereits oben erwähnt: Im Gegensatz zu den Planeten in unserem Sonnensystem umkreisen solche Objekte keine Sterne, sondern treiben frei im All. Neue Beobachtungen mit dem Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) zeigen, dass dieser frei schwebende Planet Gas und Staub aus seiner Umgebung mit einer Rate von sechs Milliarden Tonnen pro Sekunde verschlingt. Dies ist die bislang stärkste Wachstumsrate, die je bei einem Einzelgänger-Planeten – oder überhaupt bei einem Planeten – gemessen wurde, und liefert wertvolle Einblicke in ihre Entstehung und Entwicklung.

Exo-Planet Cha 1107-7626, Quelle: ESO/L. Calçada/M. Kornmesser
"Viele Menschen stellen sich Planeten als ruhige und stabile Welten vor. Doch mit dieser Entdeckung sehen wir, dass frei im All schwebende Himmelskörper planetarer Masse durchaus aufregende Orte sein können", sagt Víctor Almendros-Abad, Astronom am Astronomischen Observatorium von Palermo des italienischen Nationalen Instituts für Astrophysik (INAF) und Erstautor der neuen Studie. Ein Video mit einer Animation, wie der Planet Gas und Staub anzieht, findet sich hier.
Wechselnde Akkretionsrate
Das neu untersuchte Objekt, dessen Masse fünf- bis zehnmal so groß ist wie die des Jupiters, befindet sich noch in der Entstehungsphase und wird von einer ihn umgebenden Scheibe aus Gas und Staub gespeist. Dieses Material fällt fortlaufend auf den frei schwebenden Planeten – ein Prozess, der als Akkretion bezeichnet wird. Das Team um Almendros-Abad konnte nun jedoch nachweisen, dass die Akkretionsrate des jungen Planeten nicht gleichmäßig verläuft.
Im August 2025 verschlang der Planet etwa achtmal schneller Materie als noch wenige Monate zuvor – und zwar mit einer Rate von sechs Milliarden Tonnen pro Sekunde! Das entspricht in etwa der Masse des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerassimenko oder des Doppelten des gesamten Starnberger Sees. "Dies ist das stärkste Akkretionsereignis, das jemals für ein Objekt planetarer Masse gemessen wurde", sagt Almendros-Abad.
Die Entdeckung, die in den Astrophysical Journal Letters veröffentlicht wurde, gelang mit dem Spektrografen X-shooter am Very Large Telescope (VLT) der ESO in der chilenischen Atacama-Wüste. Zusätzlich nutzte das Team Daten des James-Webb-Weltraumteleskops, betrieben von der NASA, der ESA und der kanadischen CSA, sowie Archivdaten des Spektrografen SINFONI am VLT.
Unbekannte Herkunft
"Die Herkunft von Einzelgänger-Planeten ist noch immer ungeklärt: Handelt es sich um massearme Objekte, die sich wie Sterne bilden, oder um Riesenplaneten, die aus ihren Ursprungssystemen herausgeschleudert wurden?", fragt Co-Autor Aleks Scholz, Astronom an der Universität St. Andrews in Großbritannien.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass zumindest einige dieser Objekte einem ähnlichen Entstehungsweg wie Sterne folgen könnten, da vergleichbare Akkretionsausbrüche bereits bei jungen Sternen beobachtet wurden. Co-Autorin Belinda Damian, ebenfalls Astronomin an der Universität St. Andrews, ergänzt: "Diese Entdeckung verwischt die Grenze zwischen Sternen und Planeten und erlaubt uns einen Blick in die frühesten Entwicklungsphasen von Einzelgänger-Planeten."
Durch den Vergleich des Lichts vor und während des Ausbruchs sammelten die Forschenden Hinweise auf die Eigenschaften des Akkretionsprozesses. Auffällig ist, dass offenbar magnetische Aktivität eine Rolle beim massiven Einfall der Materie spielte – ein Phänomen, das bislang nur bei Sternen beobachtet wurde. Dies legt nahe, dass selbst massearme Objekte über starke Magnetfelder verfügen können, die solche Akkretionsereignisse antreiben.
Zudem stellten die Forschenden fest, dass sich während des Ausbruchs auch die chemische Zusammensetzung der Scheibe um den Planeten veränderte: Während des Ereignisses konnte Wasserdampf nachgewiesen werden, zuvor jedoch nicht. Dieses Phänomen war bislang nur bei Sternen, nicht aber bei Planeten jeglicher Art bekannt.
Frei schwebende Planeten sind schwer aufzuspüren, da sie sehr lichtschwach sind. Doch das im Bau befindliche Extremely Large Telescope (ELT) der ESO, das unter dem weltweit dunkelsten Himmel für astronomische Beobachtungen betrieben wird, könnte das ändern. Seine leistungsstarken Instrumente und der riesige Hauptspiegel werden es ermöglichen, weitere dieser einsamen Planeten aufzuspüren und zu untersuchen – und so besser zu verstehen, inwiefern sie sternähnlich sind.
Die Co-Autorin und ESO-Astronomin Amelia Bayo formuliert es so: "Die Vorstellung, dass ein Objekt planetarer Masse sich wie ein Stern verhalten kann, ist schlicht überwältigend – und lädt uns dazu ein, uns zu fragen, wie fremde Welten in ihren frühesten Entwicklungsphasen aussehen könnten."



