Vor 4,5 Milliarden Jahren kam es zu einer gigantischen Kollision eines Himmelskörper mit der Erde. Neue Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass der Himmelskörper mit dem Namen Theia, der vor 4,5 Milliarden Jahren mit der noch jungen Erde kollidierte, seinen Ursprung im inneren Sonnensystem hatte.
Als sich im frühen Sonnensystem die Planeten bildeten, entstand ein – heute nicht mehr vorhandener – Himmelskörper, den Wissenschaftler mit dem Namen Theia bedachten. Dieser hypothetische Planet ist, gemäß der Giant-Impact-Hypothese, vor etwa 4,5 Milliarden Jahren im frühen Sonnensystem mit der Proto-Erde kollidiert. Die dabei ausgestoßenen Trümmer vereinigten sich zum Teil wieder und der Erdmond entstand. Es wurde vermutet, dass Theia etwa die Größe des Mars hatte und sich wahrscheinlich an den Lagrange-Punkten L4 oder L5 der Erdumlaufbahn gebildet hat. Noch heute lassen sich Spuren von Theia, beispielsweise in der Zusammensetzung des Gesteins der heutigen Erde und des Mondes, finden.
Neue Studienergebnisse
In einer aktuellen Studie, die am 20. November 2025 in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht wurde, leiten Forscher unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) und der University of Chicago aus diesen Informationen die mögliche "Zutatenliste" von Theia – und damit seinen Ursprungsort – ab.

Künstlerische Darstellung: Kollision der Erde mit Theia, © MPS / Mark A. Garlick
Isotopen-Zusammensetzung liefert Hinweise
Besonders aufschlussreich sind die Verhältnisse, in denen bestimmte Metallisotope in einem Körper vorkommen, schreiben die Forscher. Isotope sind Varianten desselben Elements, die sich nur in der Anzahl der Neutronen in ihrem Atomkern – und damit in ihrem Gewicht – unterscheiden.
Selbst in der Molekülwolke, aus der sich unsere Sonne und die protoplanetare Scheibe zuerst gebildet haben, waren die Isotope dieser Elemente offenbar nicht gleichmäßig verteilt. Vielmehr muss es schon damals, je nach Entfernung vom Zentrum, Unterschiede in den Isotopenverhältnissen gegeben haben.
Dementsprechend entstanden die damals noch wachsenden Planetenkörper aus Baumaterial mit unterschiedlicher Isotopenzusammensetzung, je nachdem, ob sich das Material in der Nähe oder in der Ferne der Sonne zusammenballte. Informationen über die Herkunft seiner ursprünglichen Bausteine eines Planetenkörpers sind somit in der Isotopenzusammensetzung gespeichert.
Isotopen-Zusammensetzung von Erde und Mond
In der aktuellen Studie hat das Forscherteam das Verhältnis verschiedener Eisenisotope in Gesteinen der Erde und des Mondes mit bisher unerreichter Präzision bestimmt. Dazu untersuchten sie 15 terrestrische Gesteine und sechs Mondproben, die Astronauten der Apollo-Missionen zur Erde zurückgebracht hatten. Das Ergebnis ist kaum überraschend: Wie frühere Messungen der Isotopenverhältnisse von Chrom, Kalzium, Titan und Zirkonium bereits gezeigt hatten, sind Erde und Mond in dieser Hinsicht nicht zu unterscheiden.
Die große Ähnlichkeit lässt jedoch keine direkten Rückschlüsse auf Theia zu. Es gibt einfach zu viele mögliche Kollisionsszenarien. Obwohl die meisten Modelle davon ausgehen, dass der Mond fast ausschließlich aus Material von Theia entstanden ist, ist es auch möglich, dass er hauptsächlich aus Material aus dem frühen Erdmantel besteht oder dass sich die Gesteine von Erde und Theia untrennbar vermischt haben.
Reverse Engineering eines Planeten
Um mehr über Theia zu erfahren, wandten die Forscher eine Art Reverse Engineering für Planeten an. Dazu verwenden sie keine komplexen Computermodelle, die verschiedene Aufprallszenarien mit Theia simulieren, sondern konzentrieren sich stattdessen auf die Isotopenmischungen in Erd- und Mondgestein. Anhand der übereinstimmenden Isotopenverhältnisse in heutigen Erd- und Mondgesteinen spielte das Team durch, welche Zusammensetzungen und Größen von Theia und welche Zusammensetzung der frühen Erde zu diesem Endzustand geführt haben könnten. Bei ihren Untersuchungen betrachteten die Forscher nicht nur Eisenisotope, sondern auch solche von Chrom, Molybdän und Zirkonium. Die verschiedenen Elemente geben Aufschluss über unterschiedliche Phasen der Planetenentstehung.
Kam das Eisen mit Theia?
Aber es ist unbekannt, welches Material bereits auf der Erde vorhanden war und welches von Theia in das Erde-Mond-System gebracht wurde. Die Forscher haben dann eine Hypothese aufgestellt. Lange vor der verheerenden Kollision mit Theia hatte im Inneren der frühen Erde eine Art Sortierprozess stattgefunden. Mit der Bildung des Eisenkerns sammelten sich dort einige Elemente wie Eisen und Molybdän an; sie fehlten danach weitgehend im Gesteinsmantel. Das heute im Erdmantel vorkommende Eisen kann daher erst nach der Bildung des Kerns „angekommen" sein, beispielsweise durch Theia.
Das allgegenwärtige Metall, aus dem Menschen Werkzeuge, Schiffe und Brücken herstellten, könnte daher in erster Linie auf Theia zurückgeführt werden. Ein weiteres Element ist Zirkonium, das sehr widerstandsfähig ist und kaum Veränderungen unterliegt. Es befindet sich seit Bestehen der Erde im Mantel und ist nicht in den Kern gesunken. Zirkonium dokumentiert somit nicht nur einen Zeitabschnitt, sondern die gesamte Entstehungsgeschichte unseres Planeten.
Anhand dieser verschiedenen Informationsträger bestimmen die Forscher, aus welchem Material und welcher Materialmischung Theia bestanden haben muss und schließlich aus welchem Teil der frühen Gas- und Staubscheibe dieses Material stammt, bevor es Theia bildete.
Meteoriten als Referenz
Den Forschungsergebnissen zufolge unterscheiden sich die Isotopenverhältnisse des Materials von Theia erheblich von denen der Erde. Sie sind daher „nicht von dieser Welt" und können auch heute noch in der Mischung des Materials der Erde als solche identifiziert werden. Mathematische Berechnungen zeigen jedoch mehrere Szenarien und Zusammensetzungen der Erde und Theia vor ihrer Kollision auf. Einige davon sind jedoch nicht plausibel, da sie mit den Erkenntnissen über die frühe Planetenentstehung, die auch durch die Analyse von Meteoriten gewonnen wurden, unvereinbar sind.
Meteoriten, die nach ihrem Aufprall auf die Erde analysiert werden können, sind so alt wie das Sonnensystem. Sie geben Aufschluss über eine Zeit, in der Planeten und andere Himmelskörper entstanden sind. Sie dienen daher als Referenzmaterial für das Baumaterial, das während der Entstehung der frühen Erde und Theia verfügbar war. Sie werden anhand ihrer Isotopenverhältnisse in verschiedene Klassen unterteilt: Einige Meteoriten stammen aus dem inneren Bereich der planetarischen Entstehungsscheibe, andere aus dem äußeren Bereich.
Erde und Theia waren Nachbarn
Die Isotopenverhältnisse des Erdmantels ähneln am ehesten denen von Meteoriten aus dem inneren Sonnensystem. Die Isotope, die das Team in der Studie Theia zuordnet, weisen bisher unbekannte Verhältnisse auf und stimmen nicht mit den Bausteinen der Erde überein. Durch den Vergleich mit Meteoritenklassen kommen die Forscher zu dem Schluss, dass Theia aus dem inneren Teil des frühen Sonnensystems stammen muss, näher an der Sonne als die heutige Umlaufbahn der Erde.
Der Protoplanet wanderte dann nach außen und kollidierte vor 4,5 Milliarden Jahre mit der noch jungen Erde. Das Material vermischte sich und ein Teil wurde in die Erdumlaufbahn geschleudert, wo es den Erdmond bildete.



