E-Roller werden ja von den Protagonisten als 'umweltfreundlich' angepriesen und sollen die 'Verkehrswende bringen'. Das mit der Verkehrswende hatte ich ja schon als Wunschdenken enttarnt. Aber auch mit der Umweltfreundlichkeit ist es nicht weit her.
Das e im eScooter steht ja für elektrisch, für viele Zeitgenossen ein Synonym für sauber, kein Benzin oder Diesel, keine Abgase, kein CO2. Der E-Roller-Verleiher Bird rühmt sich, dass seine Elektroroller es den Kunden ermöglichen, "am Verkehr vorbei zu fahren und die CO2-Emissionen zu reduzieren ". Der Konkurrent Lime behauptet, dass die Fahrzeuge "die Abhängigkeit von persönlichen Autos für den Nahverkehr verringern und zukünftige Generationen mit einem saubereren, gesünderen Planeten zurücklassen".
Keine Abgase heißt nicht CO2-neutral
Dass batteriebetriebene Roller keine Umweltverschmutzung durch Abgase verursachen, bedeutet nicht, dass sie "emissionsfrei" oder "umweltfreundlich" sind. Denn die Umweltbilanz dieser Fahrzeuge lässt sich nicht nur auf Abgase reduzieren – auch zur Stromerzeugung wird CO2 produziert – Ökostrom zum Laden ist nicht. Und dann kommt die Herstellung mit umweltschädlichen Lithium-Akkus. Die tatsächliche Klimawirkung der Fahrzeuge hängt stark davon ab, wie sie hergestellt werden, was sie ersetzen und wie lange sie halten. Der folgende Tweet verweist auf das Kernproblem der E-Roller.
We're sorry to break it to you, but electric scooters aren't as eco-friendly as you've heard. https://t.co/SWScHceNVe
— MIT Technology Review (@techreview) August 3, 2019
MIT Technology Review hat eine Studie im verlinkten Artikel thematisiert, die das gesamte Leben eines E-Rollers betrachtet, und sich ansieht, wie der ökologische Fußabdruck ausschaut. Basis ist, dass Forscher der North Carolina State University beschlossen haben, eine "Ökobilanz" für eScooter zu erstellen. Diese fasst die Emissionen bei der Herstellung, dem Versand, der Aufladung, dem Sammeln und der Entsorgung von Rollern zusammen. Hintergrund war, dass einer der Forscher nach einer Fahrt mit einem E-Roller auf der Quittung die Nachricht: "Ihre Fahrt war CO2-frei" erhielt.
E-Roller produzieren mehr CO2 als Alternativen
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass E-Roller im Allgemeinen mehr Treibhausgasemissionen pro Passagiermeile verursachen als ein Standard Baus mit Dieselmotor, der aber mit hoher Fahrgastzahl unterwegs ist. Auch ein Elektro-Moped, ein Elektrofahrrad, ein Fahrrad – oder natürlich ein Spaziergang ist CO2-günstiger.
Die Studie ergab, dass E-Roller zwar etwa die Hälfte der Emissionen eines Standard-Automobils produzieren. E-Roller liegen bei etwa 200 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer im Vergleich zu fast 415 beim PKW. Aber entscheidend ist, dass nur 34% der E-Roller-Fahrer, die die Forscher in Raleigh, North Carolina, befragt haben, andernfalls ein eigenes Auto- oder eine Mitfahrgelegenheit genutzt hätten. Fast die Hälfte der Befragten hätte die Strecke mit dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt, 11% hätten den Bus genommen, und 7% hätten die Fahrt ohne E-Roller einfach nicht unternommen.
Fazit: In etwa zwei Dritteln der Fälle verursachen Roller-Fahrten mehr Treibhausgasemissionen als die Alternative. Und diese erhöhten Emissionen waren größer als die Gewinne aus den gesparten Autofahrten, sagt Jeremiah Johnson, einer der Autoren der Studie.
Emissionen über die Lebensdauer
Der Strom, der zum Laden der Fahrzeuge verwendet wird, ist einer der kleinsten Beiträge zu den Emissionen des Produkts. Die Hälfte davon stammt aus den Rohstoffen und dem Herstellungsprozess, den die Forscher zum Teil durch die Demontage eines in China hergestellten Rollers Xiaomi M365, eines Modells, das Lime und Bird verwenden, geschätzt haben.
Das Team wog jedes Teil, einschließlich des Aluminiumrahmens, der Stahlteile, der Lithium-Ionen-Batterie und des Elektromotors. Sie stützten sich dann auf die Ergebnisse früherer Peer-Review-Studien, um die Umweltauswirkungen der Gewinnung, Produktion und Lieferung dieser Rohstoffe zu bewerten.
Aber wie viel sich diese Emissionen pro Kilometer summieren, hängt stark davon ab, wie lange Roller tatsächlich halten. Dabei wird ein Problem immer deutlicher: Die theoretische Nutzungsdauer der Fahrzeuge von rund zwei Jahren liegt weit abseits der realen Lebensdauer, die bei E-Roller-Verleihern sehr kurz (oft nur 28 Tage) ist.
Roller werden unterschiedlich in Gewässer geworfen, aus Gebäuden geworfen, in Brand gesteckt, überfahren und bei Stunts eingesetzt. Aufräummannschaften in Oakland, Kalifornien, fischten in einem einzigen Monat im vergangenen Jahr 60 Roller aus dem Lake Merritt.
Eine Analyse der offenen Daten von Birds erster Flotte in Louisville, Kentucky, die von Quartz letztes Jahr durchgeführt wurde, ergab, dass der durchschnittliche Roller nur 28,8 Tage dauerte. Ebenso bestätigte Bird selbst in den Investorendokumenten zu einem früheren Zeitpunkt, dass seine Fahrzeuge nur etwa ein oder zwei Monate halten. Ich hatte das Thema im Blog-Beitrag (e)Scooter: Chance oder einfach nur Bullshit? in meinem IT-Blog aufgegriffen.
Der andere Hauptanteil der Emissionen, 43%, stammt aus der zusätzlichen Flotte von Fahrzeugen, die benötigt werden, um jeden Tag durch eine Stadt wie Raleigh zu fahren, um Roller einzusammeln, sie zu einem zentralen Ladeplatz zu bringen und sie an Orte zurückzubringen, an denen die Mieter sie finden können. Die Grafik aus nachfolgendem Tweet zeigt nochmals die Zahlen.
#EScooter gelten als neue Geheimwaffe zur ökologischen #Mobilitätswende. Neue Zahlen legen jedoch nahe, dass sie deutlich weniger klimafreundlich sein könnten als gedacht ► Studie: https://t.co/NzCbszNxta
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— Katapultmagazin (@Katapultmagazin) August 6, 2019
Generell könnten E-Roller also das Versprechen eines umweltschonenden Verkehrsmittels kaum einhalten. Weitere Details lassen sich in den verlinkten Artikeln entnehmen.
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