EU-Gerichtshof urteilt: EU-Recht verbietet Schiedsklauseln

Entscheidungen über Schiedsklauseln, die vor Schiedsgerichten verhandelt werden, sind nach EU-Recht unzulässig. Das geht aus einem aktuellen EU-Gerichtsurteil hervor, welches richtungsweisend werden dürfte.

Darum geht es

Häufig geht es in bilateralen Handelsabkommen zwischen Staaten auch um die Frage, wie Streitigkeiten über Investitionen zu handhaben sind. In solchen Verträgen werden Schiedsklauseln für den Fall von Streitigkeiten eingebaut. Jeder normale Mensch würde nun denken: Das wird vor einem ordentlichen Gericht verhandelt und gut ist. Aber ein normal denkender Mensch rechnet nicht mit der Perfidität der Unternehmen und der Politik. Diese haben in zahlreichen Abkommen sogenannte Schiedsklauseln vereinbart, die vor Schiedsgerichte, außerhalb der normalen Gerichtsbarkeit, zu verhandeln sind.

Unternehmen können diese Schiedsgerichtsverfahren mit selbst bestimmten Richtern einfordern. Dies führt nicht selten zu Milliarden schweren Entschädigungen, die von diesen 'Schiedsgerichten' den Klägern zugestanden werden, wenn diese gegen von Staaten verabschiedeten Gesetze (z.B. für einen besseren Verbraucherschutz) klagen.

Neues EU-Urteil gegen Schiedsklauseln

Es ist möglicherweise der Anfang vom Ende der Schiedsgerichte, die von Gegnern (von Freihandelsabkommen) als unzulässige 'Paralleljustiz' angesehen werden.

Recht
(Quelle: Pexels CC0 Lizenz)

Das geht aus einem EU-Gerichtsurteil hervor. Denn im aktuellen Urteil (Aktenzeichen C-284/16) hat der Europäische Gerichtshof (EugH) entschieden, dass Schiedsklauseln zur Klärung von Streitigkeiten über Investitionen zwischen EU-Staaten unzulässig sind. Sie kollidieren mit EU-Recht. Konfliktfälle dürfen ausschließlich vor EU-Gerichten verhandelt werden.

Im konkreten Fall ging es um eine enthaltene Schiedsklausel in einem zwischen den Niederlanden und der Slowakei abgeschlossenen Investitionsschutzabkommen. Das Abkommen wurde im Jahr 1991 von der ehemaligen Tschechoslowakei und den Niederlande abgeschlossen. Das Abkommen bestimmte, dass Streitigkeiten zwischen einer Vertragspartei und einem Investor der anderen Vertragspartei gütlich oder, falls dies nicht möglich ist, vor einem Schiedsgericht beizulegen sind.

Nach der Auflösung der Tschechoslowakei im Jahr 1993 trat die Slowakei in deren Rechte und Pflichten aus dem BIT ein. Im Jahr 2004 öffnete die Slowakei ihren Krankenversicherungsmarkt für private Investoren. Achmea, ein zu einem niederländischen Versicherungskonzern gehörendes Unternehmen, gründete daraufhin eine Tochtergesellschaft in der Slowakei, um dort private Krankenversicherungen anzubieten. Im Jahr 2006 machte die Slowakei jedoch die Liberalisierung des Krankenversicherungsmarkts teilweise rückgängig und untersagte insbesondere die Ausschüttung von Gewinnen aus dem Krankenversicherungsgeschäft.

Im Jahr 2008 leitete Achmea auf der Grundlage des BIT ein Schiedsverfahren gegen die Slowakei ein, mit der Begründung, dass das genannte Verbot gegen das Abkommen verstoße und ihr dadurch ein Vermögensschaden entstanden sei. Im Jahr 2012 befand das Schiedsgericht, dass die Slowakei gegen das BIT verstoßen habe. Die Slowakei wurde verurteilt, Schadensersatz in Höhe von etwa 22,1 Mio. Euro an Achmea zu zahlen. Im Anschluss daran erhob die Slowakei bei den deutschen Gerichten Klage auf Aufhebung des Schiedsspruchs.

Nach Auffassung der slowakischen Regierung verstößt die Schiedsklausel gegen mehrere Bestimmungen des EU-Vertrags. Der Bundesgerichtshof (BGH) legte diesen Fall dem Europäischen Gerichtshof (EUgH) vor. Im aktuellen Urteil hat der EUgH festgestellt, dass Schiedsklauseln, die ein Schiedsgericht vorsehen, welches nicht zum Gerichtssystem der Union gehören, unzulässig ist. Solche Schiedsklauseln sind nicht mit dem EU-Recht vereinbar.

Ein Kurztext ist im Juris-Portal nachlesbar. Auch bei beck.de sind die Sachverhalte und die Entscheidungsgrundlagen nachlesbar. Hintergrundinformationen finden sich auf dieser Seite. Unklar ist mir, wie sich diese Entscheidung auf Schiedsklauseln in Handelsabkommen mit Ländern außerhalb der EU auswirkt. CETA wurde ja mit Kanada verhandelt (TTIP liegt glücklicherweise auf Eis). Des EU-Urteil dürfte aber auch hier eine Signalwirkung entfachen – so dass die Politik in Form der EU-Kommission solche Schiedsklauseln künftig der EU-Gerichtsbarkeit unterwerfen sollte. Denn die EU-Kommission müsste sich andernfalls erklären, warum sie etwas (eigene Schiedgerichte) durchsetzt, was EU-Recht widerspricht.

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