Es ist eine weitere wissenschaftliche Sensation, die Archäologen in Südfrankreich nachgewiesen haben. Die Neandertaler kannten bereits so etwas wie Zwirn oder Schnüre, die aus Pflanzenfasern gedreht wurden.
Dass die Neandertaler keineswegs die dumpfen Steinzeitmenschen waren, die in der frühen Literatur gezeichnet wurde, ist inzwischen in Fachkreisen bekannt. Immer wieder kommen Einzelheiten ans Tageslicht, die die Fähigkeiten der Neandertaler zeigen.
Jetzt stellte der Anthropologe Bruce Hardy vom Kenyon College in Ohio und seinen Kollegen im Fachblatt Scientific Reports einen neuen Fund vor: An einem Steinwerkzeug (quasi ein Steinfragment) entdeckten die Forscher ein 6 Millimeter langes und einen halben Millimeter dickes Stück 'Schnur' – was man heute wohl als 'Zwirn' bezeichnen würde. Es haftete an der Unterseite des Steinwerkzeugs, welches in mehreren Meter Tiefe gefunden wurde.
(Steinwerkzeug mit Zwirn, Source: Photo by M.-H. Moncel, CC BY 4.0)
Gefunden wurde das Stück Zwirn im Abri du Maras nahe der Ardèche in Südfrankreich. Dort finden seit 2006 neue Ausgrabungen statt. Es wird vermutet, dass es sich bei der Schnur um eine Art Griff (Griffhilfe) für ein Steinwerkzeug gehandelt haben könnte. Dieses könnte um Steinwerkzeuge gewickelt worden sein, um besser damit arbeiten zu können. Neandertaler verwendete alternativ auch Birkenpech als Griffhilfe. Möglicherweise ist der Zwirn auch Teil eines Tragenetzes oder eines Beutels. Genau weiß man das nicht.
Normalerweise überdauern solche organischen Substanzen die Jahrhunderte nicht und verfallen. Das kleine Stück Zwirn ist daher quasi ein Glücksfall, der eine neue Facette der Fähigkeiten der Neandertaler zeichnet. Denn der winzige Rest der Schnur bzw. des Zwirns besteht aus dem Bast eines Nadelbaums. Drei Grundschnüre wurden aus Bastfasern im Uhrzeigersinn verdreht. Danach wurden drei Stränge dieser Grundfasern gegen den Uhrzeigersinn zu einer dünnen Schnur verdrillt. Das ergab die Analyse des Reststücks unter einem Mikroskop.
Dass es Neandertaler und keine modernen Menschen waren, die diese Schnur gefertigt haben, legt das Alter des Funds nahe. Das Fundstück ist zwischen 41 000 bis 52 000 Jahre alt und damit der älteste bekannte Nachweis für die Herstellung von Schnüren aus Holzfasern. Zu dieser Zeit gab es aber in der Fundgegend (nach heutigem Wissen) keine modernen Menschen, sondern nur Neandertaler.
Deutschsprachige Artikel finden sich bei spectrum.de, bei wissenschaft.de – wo es vergrößerte Fotos gibt) sowie bei Welt Online. Die Welt hat bereits 2015 diesen Artikel veröffentlicht, nach denen Neandertaler Adlerkralle als Schmuck trugen.
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