1965 strandeten sechs tonganische Jugendliche für 15 Monate auf ʻAta, einer kleinen Insel zwischen Neuseeland und Tonga. Sie überlebten auf der Insel ohne Quellwasser, bis sie von einem australischen Krebsfischer und Abenteuerer, Peter Warner, gerettet wurden.
Es war im Mai 2022, als ich hier (heute hinter einer Paywall) auf die unglaubliche Geschichte stieß. Die kurze Fassung: Die Jungen Sione Fataua (16), «Stephen» Tevita Fatai Latu (16), «David» Tevita Fifita Siolaʻa (14), Kolo Fekitoa (16), «Mano» Sione Filipe Totau (15) und Luke Veikoso (15) lebten in einem strengen katholischen Internat in Nuku'alofa, der Hauptstadt Tongas. Und den Kids war langweilig, so dass sie einen Plan fassten: Sie wollten mit einem Boot 800 Kilometer über das Meer nach Fidschi segeln.
1965 klauten die sechs Jungs ein Fischerboot, um das Vorhaben in die Tat umzusetzen. Aber sie wurden nach einem Sturm auf dem Meer, der den Anker abriss und Ruder sowie Segel unbrauchbar macht, verschlagen und trieben nach einer achttägigen Irrfahrt auf der kleines kleinen Insel Ata, zwischen Neuseeland und Tonga, an. Auf der Insel ohne Quellwasser überlebten die Jugendlichen 15 Monate, bis sie von dem australischen Krebsfischer und Abenteuerer, Peter Warner, gerettet wurden.
ʻAta liegt 157 km südwestlich der tonganischen Hauptinsel Tongatapu und 163 km südwestlich der Insel ʻEua, auf der heute die meisten Nachkommen der früheren Bevölkerung von ʻAta leben. 900 Kilometer südsüdwestlich von ʻAta liegt die bereits zu Neuseeland gehörige Insel Raoul Island (Kermadec Islands). Zwischen ʻAta und Raoul liegen mehrere untermeerische Vulkane, die sich in einer Kette über die Kermadec-Inseln bis Neuseeland fortsetzen.
Mit Ausnahme der 200 Kilometer weiter südwestlich gelegenen atollförmigen Minerva-Riffe, die zwar häufig trockenfallen, jedoch keine eigentlichen Inseln und damit auch kein Festland aufweisen, ist ʻAta die südlichste Insel von Tonga.
Die heute unbewohnte Insel hat eine Länge von rund 1,7 km von Nord nach Süd, und eine Breite von 1,6 km. Die Flächenausdehnung beträgt 2,3 km², nach anderen Quellen nur 1,5 km².ʻ Ata ist maximal 355 Meter hoch und größtenteils bewaldet.
Die Geschichte schaffte es am 6. Oktober 1966 in die australischen Zeitung The Age, auch weil der englische Schriftsteller William Golding im Jahr 1954 eine fiktive Geschichte einer Gruppe von sechs- bis zwölfjährigen Jungen veröffentlicht hatte. Die Geschichte "Lord of the Flies" (Herr der Fliegen) handelt von den Kids, die nach einem Flugzeugabsturz auf einer unbewohnten Südseeinsel ohne Erwachsene zu überleben versuchen. Das Ganze endet in einem gewalttätigen Desaster.
Diese Geschichte war fiktiv, aber das Erlebnis der Jungs auf Tonga, gut 10 Jahre später, war real. Das Ganze wurde dann auch in einem Dokumentarfilm mit den Jungs als Darstellern aufbereitet.
Warum kommt die Geschichte jetzt wieder in die Öffentlichkeit? Watson.ch hat es in diesem Artikel nachgezeichnet. Der niederländische der Historiker und Autor Rutger Bregman war auf der Suche nach Geschichten über Kinder, die in Notsituationen über Erwachsene und stieß wohl auf diese Begebenheit. Es gelang Breman sogar, Kapitän Peter Warner, 50 Jahre später, aufzutreiben und zu befragen.
Dadurch kam die Geschichte der Wiederentdeckung im britischen Guardian erneut an die Öffentlichkeit und wird immer wieder von Redaktionen aufgegriffen.
Die Entdeckung der Jungs ist ein riesigere Zufall. Peter Warner unterhielt in Tasmanien eine Fischereiflotte, war aber im Winter 1966 auf Tonga. Auf dem Heimweg machte er einen kleinen Umweg, und kam an der winzigen Insel 'Ata vorbei. Die Insel war einst bewohnt gewesen, bis eines dunklen Tages im Jahr 1863 ein Sklavenschiff am Horizont auftauchte und mit den Eingeborenen davonsegelte. Seitdem war 'Ata verlassen.
Durch ein Fernglas sah deer Kapitän etwas seltsames, verbrannte Stellen auf den grünen Klippen der Insel. Dann sah er einen Jungen, der nackt war und dessen Haar bis zu den Schultern reichte. Der Junge sprang von einer Klippe ins Wasser und schwamm auf das Schiff zu. Weitere Jungen tauchten schreiend auf. Als der erste Junge das Boot erreichte rief er in Englisch "Mein Name ist Stephen, Wir sind zu sechst, und wir schätzen, dass wir schon seit 15 Monaten hier sind." Peter Warner eruierte die Geschichte der Jungs aus deren Erzählungen und konnte diese an den Historiker weitergeben.
Die Jugendlichen einigten sich nach ihrer Strandung darauf, in Zweierteams zu arbeiten und erstellten einen strikten Dienstplan für Garten, Küche und Wache. Ihre Tage begannen und endeten mit Gesang und Gebet. Einer der Jungen, Kolo, bastelte aus einem Stück Treibholz, einer halben Kokosnussschale und sechs Stahldrähten, die er aus dem Schiffswrack geborgen hatte, eine provisorische Gitarre – ein Instrument. Auf diesem spielte er zur Unterhaltung.
Den Sommer über regnete es kaum, was die Jungen vor Durst verzweifeln ließ. Sie versuchten, ein Floß zu bauen, um die Insel zu verlassen, aber es zerfiel in der Brandung.
Am schlimmsten war, dass einer der Jungs, Stephen, eines Tages ausrutschte, von einer Klippe stürzte und sich das Bein brach. Die anderen Jungen bargen ihn von der Absturzstelle, und richteten sein Bein mit Stöcken und Blättern.
Anfangs ernährten sie sich von Fischen, Kokosnüssen und zahmen Vögeln (sie tranken das Blut und aßen auch das Fleisch); die Eier von Seevögeln wurden ausgesaugt. Später, als sie die Spitze der Insel erreichten, fanden sie einen alten Vulkankrater, in dem ein Jahrhundert zuvor Menschen gelebt hatten. Dort entdeckten die Jungen wilden Taro, Bananen und Hühner (die sich in den 100 Jahren, seit die letzten Tonganer die Insel verlassen hatten, fortgepflanzt hatten).
Die Jugendlichen wurde am 11. September 1966, gerettet. Der örtliche Arzt äußerte später sein Erstaunen über ihren muskulösen Körperbau und Stephens perfekt geheiltes Bein. Als die sechs wieder in Nuku'alofa ankamen, enterte die Polizei Peters Boot, verhaftete die Jungen und steckte sie ins Gefängnis. Herr Taniela Uhila, dessen Segelboot die Jungen 15 Monate zuvor "ausgeliehen" hatten, war immer noch wütend und hatte beschlossen, Anzeige zu erstatten.
Aber der Kapitän Peter Warner hatte einen Plan, und diente die Geschichte Hollywood und einem TV-Sender in Sysney an. Dann zahlte er dem Bootsbesitzer 150 Pfund und arrangierte mit den Jungs, dass sie bei dem Dokumentarfilm mitspielen würden. So nahm die Geschichte, die in English auf Wikipedia, beim The Telegraph und weiteren Medien nachlesebar ist, doch noch ein glückliches Ende. Einer der Überlebenden erzählt seine Geschichte in diesem deutschsprachigen Vice-Artikel und hier. Ein Video ist auf YouTube zu finden.
Eine wundervoller Beitrag.
Ich hatte von dieser Geschichte das erste Mal erfahren, als ich 1978 in Nuku'alofa auf Tongatapu an einem interdisziplinären Forschungsprojekt teilnahm und habe mich dann mal durch die weiterführenden Links im Beitrag geklickt. Da kamen viele Erinnerung hoch.
Respekt, wie diese jungen Männer ihr Schicksal gemeistert haben.
Bemerkenswert und schon fast ein Wunder ist die Tatsache, dass die Jugendlichen ausgerechnet diese kleine Insel ʻAta im Pazifik "erwischt" haben. Denn sie ist auch noch das letzte Festland vor dem großen, schier endlosen Meer.
Ich liebe Geschichten mit Happy End. Vielen Dank dafür.
Günther
Gibt es einen Film darüber?