Es ist ein Streit zwischen Wissenschaftlern. Es geht um die Frage, ob es in der sogenannten Altsteinzeit vor 40.000 Jahren schon Kalender gab? Manche Forscher deuten Punktreihen und ähnliche Markierungen als Monatsangaben, während andere Forscher das als "Humbug" zurückweisen.
Ich selbst habe da keine Meinung zu, fand das Thema aber faszinierend, als ich kürzlich durch Zufall auf den Beitrag Eine Frage der Zeit: Führten die Menschen schon vor 40 000 Jahren Kalender? in der Neue Züricher Zeitung (NZZ) stieß.
Es dreht sich alles um die Frage, seit wann die Menschheit so etwas wie einen Kalender kennt. Die alten Ägypter kannten den Kalender und auch die Babylonier – selbst die Himmelsscheibe von Nebra wird als Kalender interpretiert. Auch Megalith-Bauwerke wie Stonehenge werden als riesige Kalender interpretiert.
Dem NZZ-Artikel nach sollen die Möglichkeiten der Menschen, die Jahreszeiten und Monate zu bestimmen, bis ins Jungpaläolithikum, vor 40.000 Jahren, zurückreichen. Damals, so die Wissenschaft, zogen noch Jäger und Sammler auf der Erde umher.
Wissenschaftler haben die Steinbilder in diversen Höhlen Europas analysiert. In mindestens 400 europäischen Höhlen wie Lascaux, Chauvet und Altamira zeichneten, malten und gravierten Gruppen des Homo sapiens aus dem Jungpaläolithikum ab etwa 42.000 vor unserer Zeit nicht-figurative Zeichen und ab vor etwa 37.000 Jahren figurative Bilder (vor allem Tiere).
Seit ihrer Entdeckung vor ca. 150 Jahren ist der Zweck bzw. die Bedeutung der nicht-figurativen Zeichen des europäischen Jungpaläolithikums den Forschern ein Rätsel.
Trotzdem gehen Fachleute davon aus, dass sie in irgendeiner Weise als Notation dienten. Anhand einer Bilddatenbank, die das europäische Jungpaläolithikum abdeckt, schlagen wir vor, wie drei der am häufigsten vorkommenden Zeichen – der Strich <|>, der Punkt <-> und das <Y> – als Kommunikationseinheiten fungierten.
Die Wissenschaftler zeigen in ihrem Artikel, dass die Linie <|> und der Punkt <->, wenn sie in enger Verbindung mit Tierdarstellungen gefunden werden, Zahlen darstellen, die Monate bezeichnen, und Bestandteile eines lokalen phänologischen/meteorologischen Kalenders sind, der im Frühling beginnt und die Zeit ab diesem Zeitpunkt in Mondmonaten aufzeichnet.
Die Wissenschaftler zeigen auch, dass das Zeichen <Y>, eines der am häufigsten vorkommenden Zeichen in der nicht-figurativen Kunst des Paläolithikums, die Bedeutung <Gebären> hat. Die Position des <Y> innerhalb einer Zeichenfolge bezeichnet den Monat der Geburt, eine ordinale Darstellung der Zahl im Gegensatz zur kardinalen Darstellung, die in Tallies verwendet wird.
Die Daten der Wissenschaftler deuten darauf hin, dass der Zweck dieses Systems der Zuordnung von Tieren zu Kalenderinformationen darin bestand, saisonale Verhaltensinformationen über bestimmte Beutetaxa in den betreffenden geografischen Regionen zu erfassen und zu übermitteln.
Die Wissenschaftler schlagen eine spezifische Art und Weise vor, in der die Paarung von Zahlen mit Tiermotiven eine vollständige Bedeutungseinheit bildete – ein Notationssystem in Verbindung mit seinem Gegenstand -, die uns einen spezifischen Einblick in die Bedeutung eines Satzes von Notationszeichen gibt.
Damit erhalte man eine erste spezifische Lesart der europäischen oberpaläolithischen Kommunikation, der ersten bekannten Schrift in der Geschichte des Homo sapiens. Und das Ganze kann ein Kalendersystem sein, so der Schluss. Details lassen sich im NZZ-Artikel sowie in der Veröffentlichung der Forscher (Englisch) nachlesen.