Soziales Pflichtjahr für Rentner, was halten Sie davon?

ParagraphEs war nach der Forderung nach einem "Boomer-Soli" der zweite Vorschlag von DIW-Chef Marcel Fratzscher, der erkennbar auf Ablehnung stoßen musste. Es geht um den Vorschlag, ein soziales Pflichtjahr für Rentner einzuführen.

Die Vorschläge von Marcel Fratzscher

Marcel Fratzscher ist Ökonom und Wirtschaftsforscher, Professor für Makroökonomie an der Humboldt-Universität zu Berlin, sowie seit 2013 Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Schaue ich mir seinen Werdegang an, war er Zeit seines Lebens Schreibtischmensch, der wohl eher nichts von der Lebenswirklichkeit vieler arbeitender Menschen mitbekommen hat.

Fratzscher weiß sich mit konträren Vorschlägen ins Gespräch zu bringen.

Der Boomer-Soli

Im Juli 2025, es herrschte gerade Sommerloch, kam vom DIW der Vorschlag für eine Sonderabgabe, die Rentner zur Stabilisierung des Rentensystems leisten sollten. Das Schlagwort des Boomer-Soli, eine 10 prozentige Abgabe auf alle Alterseinkünfte, war in die Welt gesetzt. Der Vorschlag wurde – wohl mit Recht – in die Mottenkiste sozialistischer Vorschläge gesperrt und erhielt eine klare Absage. Der VDK hat hier seine Stellungnahme dazu veröffentlicht.

Verpflichtendes soziales Jahr

Letzte Woche kam dann von Marcel Fratzscher und dem DIW die Forderung, dass alle Rentner ein "verpflichtendes soziales Jahr" ableisten sollten, um der Generationsgerechtigkeit Genüge zu leisten. Rentner sollten verpflichtend in Pflegeeinrichtungen oder bei der Bundeswehr ihr verpflichtendes "soziales Jahr" ableisten.

Geäußert wurde der Vorschlag in einem Spiegel-Interview (leider hinter Paywall) gemacht. Spiegel Online hat in diesem Artikel einige Aussagen zusammen gefasst. Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) hat das Thema hier aufgegriffen. Der Vorstoß des Ökonomen Fratzscher, ein soziales Jahr für Rentner einzuführen, stößt auf viel Ablehnung. Seniorenverbände und Politik wiesen den Vorschlag als unausgegoren und wenig durchdacht zurück. Auch rechtlich scheinen die Hürden hoch zu sein.

Was halten Sie von solchen Vorschlägen?

Wenn ich überlege, welche Aussagen Marcel Fratzscher getätigt hat, frage ich mich schon spontan, wo der Realitätssinn des DIW geblieben ist. Nach vielen Jahrzehnten Arbeitsleben sollen Menschen verpflichtet werden, noch ein Jahr kostenlos Sozialdienst zu leisten. Oder irgend etwas bei der Bundeswehr zu machen, wenn sie mal gedient haben.

Mal abgesehen vom Umstand, dass Bundeswehreinrichtungen in der Regel nicht nebenan beim Rentner angesiedelt sind – und einen Blockwart braucht es auch nicht, hakt es auch an anderen Stellen. Ältere haben oft enorme Schwierigkeiten, kurz vor Rentenantritt in der Pflege Ältere den Arbeitstag rum zu bringen. Und jetzt sollen Millionen Rentner in fachfremde Gebiete zwangsverpflichtet werden – etwas anderes ist der Vorschlag ja nicht. Gnade uns Gott, wenn wir mal pflegebedürftig werden und Zwangsverpflichtete auf uns los gelassen werden.

Viele Menschen im Rentenalter weisen mit Recht darauf hin, ihren Beitrag an die Gesellschaft geleistet zu haben. Weiterhin setzt sich knapp die Hälfte bereits ehrenamtlich für die Gesellschaft oder für die Familie (Betreuung der Enkel) ein. Da vom DIW eine Solidarität mit der "jüngeren Generation" zu fordern, finde ich unredlich. Wer hat denn die Ausbildung vom Kindergarten bis zum Berufsabschluss finanziert? Doch die heute in Rente gegangene Generation. Einen interessanten Kommentar habe ich beim RND gelesen.

Persönlich hätte ich auch nichts dagegen, den politisch abgeschafften Nachhaltigkeitsfaktor in die Berechnung der zukünftigen Rentenerhöhungen wieder einzuführen. Auch die geplante Erhöhung der Mütterrente erscheint mir eher ein Wahlgeschenk, was nicht finanzierbar ist.

In Summe kommt es mir so vor, dass vom DIW und anderen Stellen "Schreibtisch-Papiere" ohne viel Substanz kommen, die für viel Ärger kommen, aber nichts bewirken, sondern eher Verbitterung bei der älteren Generation hervorrufen. Wie wird der gesamte Sachverhalt von Ihnen als Leser oder Leserin gesehen?

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5 Antworten zu Soziales Pflichtjahr für Rentner, was halten Sie davon?

  1. Blupp sagt:

    Eigentlich ist schon alles gesagt, der Kommentar beim RND spricht es schon an. Über Jahre eingezahlt, einen Teil der Gesundheit ist im Dienste des Landes dahin. Da empfindet man solche Aussagen vom DIW als kräftigen Tritt in den Anus. Was mancher so von sich gibt ist einfach nur zum fremdschämen.

    Nur so ein plötzlicher Gedankenblitz: Was wäre eigentlich, wenn alle die nicht mehr arbeiten können und sich dennoch z.B. im Ehrenamt einbringen einfach mal für eine Zeit tatsächlich den Ruhestand genießen? Könnte man auch Rentnerstreik nennen.
    Die Babyboomer sind natürlich eine ganze Menge Leute und die haben einst auch ganz viel eingezahlt, dass es einige Überschüsse gab. Sucht man im Netz finden sich Schlagzeilen wie: " "Der Staat bürdet der Rentenkasse seit Jahrzehnten immer mehr versicherungsfremde Leistungen auf" Wo ist denn das alles geblieben oder wofür wirds aus dem Fenster geworfen? – Muss man auch mal fragen dürfen, wenn man denn schon wieder einen schmerzhaften Tritt ins Kreuz bekommt.

  2. Schwarzes_Einhorn sagt:

    Ich bin aus dem geburtenstärksten Jahrgang, den es je gab, hatte und habe nie ein regelmäßiges Arbeitsleben gehabt (35 Jobs, darunter sehr viel Zeitarbeit ohne jede Perspektive), war immer die Person, die entbehrlich war und den Arschtritt kriegte, egal wie gut ich war – und ich bin gut! Momentan bin ich mit der Pflege meiner Mutter und der Jobsuche ganz schön beschäftigt – nicht, daß sich wirklich was im Bereich neuer Job tun würde. Da braucht man mich nicht – aber ein Pflichtjahr soll ich machen? Haha! Ganz sicher nicht. Ich muß mich da schon sehr beherrschen, um nicht ausfallend zu werden.

  3. Anea sagt:

    Das wäre lediglich eine kosmetische Korrektur ohne Erfolgsaussichten und dient nur zur Ablenkung der Massen von den wirklichen notwendigen fundamentalen Umstrukturierungen und Umwälzungen.
    Gruselig wie kurzsichtig und einfältig viele Politiker agieren.

  4. Tom, Fw a. D. - nicht als Veteran anerkannt sagt:

    sozio- oder besser gesagt militärisches Pflichtjahr? Mache ich gern, wenn ich den Rekruten Marcel Fratzscher und alle anderen ungedienten Schreibtischtäter seiner Generation schleifen darf. Ich freue mich schon darauf, ihn und die anderen Rekruten gemeinsam mit meinen Kameraden (mit Dienstgraden vom Gefreiten bis zum Hauptmann a.D.) kriegszuertüchtigen. Aber Scherz beiseite: Wer arbeitet hier in der Regel 40-50 Wochenstunden plus, hält mit den Steuern das Land am Laufen (viele Menschen= Boomergeneration zahlen viel Mehrwertsteuer und Lohn- und Einkommenssteuer ohnehin). Und die zynische Kehrseite ist ja auch, dass die absolute Zahl der Menschen, die keine 20 Jahre Rente beziehen aber sehr wohl eingezahlt haben, in der Boomergeneration am größten ist (Nach 20 Jahren hat man rein rechnerisch seine gezahlten Beiträge als Rente wieder heraus). Wo ist da eigentlich die Generationenungerechtigkeit?
    Ich sage nur: Ungediente im wehrfähigen Alter in den Dienst!

  5. Visitator sagt:

    Ich kenne einige Senioren, die arbeiten freiwillig im Ehrenamt und sind sehr engagiert.
    Ich weiß nicht, wie die Arbeitsqualität der Pflichtkräfte wäre.
    Z. B.: Ein bekannter Förster hat irgendwann nur noch polnische Waldarbeiter geholt, weil die arbeiten konnten, im Gegensatz zu den deutschen, die ihm das Arbeitsamt geschickt hat. Nach einem Tag im Wald waren die deutschen "kaputt oder verstümmelt", übertrieben formuliert.

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