Pflegebedürftige können 2.500 Euro pro Jahr bekommen, wenn deren Angehörige kurzzeitig in der Pflege verhindert sind und eine Pause benötigen. Die Pflegegeld-Kassen geben für die Verhinderungspflege jedes Jahr Milliarden aus. Doch weil es kaum Kontrollen gibt, steigt nach Recherchen von NDR, WDR und SZ der Missbrauch.
Ich war mit der Familie nur am Rande in das Thema involviert, weil ein Pflegefall eines Angehörigen im Jahr 2019 durch Unterbringung der Person in einem Pflegeheim gelöst werden musste. Nach zwei Jahren Pflege war das für die Familie, auch wegen der Entfernungen, nicht mehr zu leisten. Und das "sich rund um die Uhr kümmern müssen" war eine zu große Belastung – so dass gelegentlich über Verhinderungspflege nachgedacht worden war, diese aber nie in Anspruch genommen wurde.
Auf der Plattform Mastodon stieß ich die Tage auf obigen Post der Tagesschau, der über Recherchen von NDR, WDR und SZ über Missbrauch berichtet. Die Tagesschau berichtet in diesem Textbeitrag, dass fehlende Kontrollen zu einem groß angelegten Sozialleistungsmissbrauch verleiteten und auch geführt haben.
Immer häufiger werde Verhinderungspflege beantragt, ohne dass sie tatsächlich stattgefunden hat. Ein vertraulicher Abschlussbericht der "Bund-Länder-Projektgruppe Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen", den das Bundeskriminalamt Mitte März 2025 erstellt hat, weist ausdrücklich auf die "Schwächen und Mängel bei der Durchführung von Verhinderungspflege" hin.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen räumt auf Nachfrage gegenüber NDR, WDR und SZ den Missbrauch ein: "Problematisch ist weniger das Fehlverhalten einzelner Versicherter, sondern organisierte Clankriminalität in Form von großangelegtem Sozialleistungsmissbrauch."
Der Bericht, der in Plusminus gesendet wurde, erwähnt einen Fall, in dem eine Pflegeberaterin in Bayreuth für rund 100 Versicherte Verhinderungspflege beantragte, obwohl diese nie stattfand.
Von den 150 Ermittlungsverfahren, die auch die Seniorinnen und Senioren betrafen, seien inzwischen 25 Verfahren abgeschlossen worden. Die Betroffenen seien zu Geldstrafen und Freiheitsstrafen auf Bewährung verurteilt worden.
Die Pflegeberaterin soll sich laut Bericht internes Wissen aus einem Praktikum bei der Pflegekasse der AOK Bayern zunutze gemacht haben. Die Hauptbeschuldigte soll dann einen Großteil der gezahlten Gelder für sich abgezweigt haben. Derzeit muss das zuständige Landgericht erst noch über die Zulassung der Anklage gegen diese Beschuldigte entscheiden.
Im Jahr 2022 gaben die Pflegekassen für diese Leistung 2,1 Milliarden Euro aus, 2023 waren es schon 2,6 Milliarden, im Jahr 2024 schließlich 3,1 Milliarden Euro – ein Anstieg von mehr als 20 Prozent pro Jahr. Die Ausgaben und die Beiträge für die Pflegeversicherung steigen, aber von staatlicher Seite werden keine Kontrollen vorgegeben und durchgeführt. Missbrauch fällt eher durch Zufall auf – die Seniorinnen und Senioren, für die Verhinderungspflege ausgezahlt wird, erhalten meist 100 bis 200 Euro von dieser Summe, während die Täter den Rest behalten. Details sind im Bericht der Tagesschau nachzulesen.