Der Flop mit den (asiatischen) Leihfahrrädern

Letztes Jahr wurden auch deutsche Städte mit Tausenden billiger Leihfahrräder geflutet. Jetzt ist der Hype vorbei, viele asiatische Anbieter insolvent und die Städte müssen die Räder auf Kosten der Steuerzahlen entsorgen. Aber das ist wohl ein internationales Thema, wie ich gerade einem Artikel der New York Time entnehme.

Asiatische Schrott-Fahrräder auf öffentlichen Flächen

Ich gesteht, mich ärgert die Geschichte kolossal, wenn ich auch nicht direkt mit den Hinterlassenschaften von Firmen wie Obike (Singapur) konfrontiert bin. Die meisten Blog-Leser/innen dürften die Leihfahrräder der Deutsche Bahn (DB) kennen, die an Bahnhöfen oder anderen Sammelpunkten stehen. Man kann diese gegen eine geringe Gebühr mieten. Das ist auch so ok, die Räder stehen an bestimmten Stellen und werden (hoffentlich) von der Betreibergesellschaft gewartet. Aber es gibt noch eine Kehrseite dieser Geschichte, die man erzählen muss.

oBike
(Quelle: Marco Verch / Flickr / CC BY 2.0 )

Asiatische Anbieter wollten, ausgestattet mit dem Kapital ausländischer Investoren, den deutschen Markt mit Mietfahrrädern erobern und stellten viele Tausend billigste Leihfahrräder in Städten wie München, Frankfurt, Hamburg, Berlin etc. auf. Die genannten Städte erlebten seit 2017 bis 2018 einen zweifelhaften 'Boom' solcher Leihfahrradangebote. Was auf den ersten Blick aus Umweltgesichtspunkten möglicherweise toll ausschaut, entwickelte sich zu einem riesigen Ärgernis. Der Grund: Die Räder taugen so gut wie nichts, lassen sich nur mit enormem Kraftaufwand fortbewegen und liegen inzwischen kaputt in Parks oder Straßenrändern herum, oder blockieren die Gehwege. Im Artikel Ärger mit Mietfahrrädern hatte ich die Geschichte schon mal aufbereitet.

Richter entzogen deutschen Städten die Handhabe

In manchen Städten (speziell in der Schweiz) hat die Polizei bereits tausende Fahrräder eingezogen und verschrotten lassen. Dort gingen die Kommunen gegen die asiatischen Anbieter vor. Deutsche Städte haben keine Möglichkeit, juristisch viel zu machen. Ich hatte es ebenfalls thematisiert: Ein Gerichtsurteil macht es den Städten juristisch faktisch unmöglich, den Anbietern das Aufstellen der Fahrräder zu untersagen. Das Ganze ist mal wieder eine Posse der deutschen Justiz.

  • Wird eine Sammelstelle für solche Leihfahrräder eingerichtet, benötigt der Anbieter eine Genehmigung der Stadt.
  • Das Abstellen von Fahrrädern an öffentlichen Orten ist jedoch genehmigungsfrei möglich.

Geregelt wird dies in einem Urteil des OVG Hamburg, welches bei Mietfahrrädern mit Werbung keine (genehmigungspflichtige) Sondernutzung sah. Hintergrund des Ganzen: Als in Hamburg das Mieträdersystem ausgeschrieben wurde und die Bahn gewann, stellte der Konkurrent Nextbike einfach Räder auf. Als die Bahn dagegen klagte, verlor sie den Prozess. Solange diese Gefährte nicht als reine Werbeflächen genutzt werden und die Räder keine Hindernisse darstellen, kann jeder Anbieter diese auf Fußwegen oder öffentlichen Plätzen abstellen.

Die Anbieter sind pleite

Der Anbieter Obike aus Singapur, der als erster auf den Markt drängte, fiel bereits frühzeitig durch Datenschutzverletzungen auf. Ich hatte dies in verschiedenen Blog-Beiträgen in meinem IT-Blog aufgegriffen.

Seit Herbst 2018 wachsen in den deutschen Städten, wo Obike seine Fahrräder 'abgeladen' hat, die Probleme und vor allem die Sorgen der Nutzer. Deutsche Nutzer mussten 79 Euro Kaution zahlen, wenn sie die Obike Fahrräder leihen möchten. Aber Obike hat letztes Jahr Insolvenz in Singapur angemeldet – siehe mein Beitrag Obike: Konkurs und die Fahrräder liegen herum.

Der Anbieter war auch in Deutschland abgetaucht, und die Städte standen vor dem Problem, wie man die Fahrräder entsorgt. Die Fahrräder sind noch Eigentum von Obike, dürfen in Deutschland also nicht einfach entsorgt werden. Nur die Schweiz hat eine Handhabe entwickelt, um die Räder zu verschrotten. Es sah lange so aus, als ob die Städte und damit der deutsche Steuerzahler auf den Entsorgungskosten sitzen bleibt.

  • In Hamburg sollten 10.000 „Obike"-Leihräder aus der Konkursmasse als Ramschräder verkauft werden. Das thematisiert zumindest das nachfolgende Video der Hamburger Morgenpost vom letzten August. Ich habe dann mal etwas recherchiert – bereits Mitte September 2018 gab es eine Warnung vor den Unfallgefahren dieser 69 Euro-Räder. Aber die Gier der Leute war groß, auch wenn die Teile heute wohl unbenutzt in den Kellern gammeln. Ende September 2019 erwirkte das schleswig-holsteinische Verbraucherschutzministerium einen Stopp des Verkaufs (gelöscht) der Obikes und hat den Rückruf bereits verkaufter Fahrräder angeordnet. Gab aber gleich Ärger, weil der Verkäufer die Räder nicht zurück nehmen wollte.

(Quelle: YouTube)

  • München hat das wohl cleverer regeln können. Als ich Montag, den 29.4.2019  diesen Beitrag auf Vorrat verfasst habe, kam gerade die Meldung, dass Obike einer Beseitigungsanordnung der Stadt München zuvor kam und die meisten Fahrräder entfernt hat – der BR berichtet im Beitrag München macht Druck – Obike sammelt Räder ein.

Alles in allem aber ein ziemlich unerfreuliche Geschichte, die die Menschen und die Verwaltungen der Städte ein Menge Zeit, Geld und Nerven gekostet haben dürfte. Und alles nur, weil Investoren in ihrer Gier die unmöglichsten Projekte, ohne Rücksicht auf Verluste und Umweltfolgen, fördern.

Deutschland ist nicht alleine

Aufhänger dieses Artikels ist ein Artikel (Englisch) in der New York Times. Dieser beleuchtet die durch internationale Investoren angekurbelte Expansion der asiatischen Anbieter. In dessen Folge wurden wohl Millionen billigste Leihfahrräder weltweit in Städte gekarrt und dort aufgestellt. In China, wo viele noch Fahrrad fahren, gibt es inzwischen riesige Leihfahrrad-Friedhöfe, wo der China-Schrott vor sich hin gammelt.

Auf einer Farm in den USA stehen Tausende Fahrräder eines anderen asiatischen Anbieters und rosten vor sich hin (wie das Foto und das Video in obigem Tweet zeigen. Der Artikel in der NYT beschreibt die Folgen einer verfehlten Startup-Politik internationaler Investoren und vor allem chinesischer Firmen. Und nun steht man mit eScootern wohl wieder in den Startlöchern (siehe folgende (e)Scooter: Chance oder einfach nur Bullshit?).

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