Vater-Sohn-Ding: Der Führerschein und die erste Beule – Teil II

VW-KäferTja, da schickte sich der Spross, gestern noch ganz klein, an der Hand laufend, nun an, den Führerschein vor seinem 18. Geburtstag zu machen. Das Ganze geht zurück auf die Jahrtausend-Wende. Vater hat gecoacht, aber was falsch gemacht. Wenige Stunden nach dem Führerschein-Erwerb gab es die erste Beule am Familien-Auto und später noch mehr Malheur.

In Teil 1 hatte ich ja beschrieben, wie mein Vater mir die ersten Schritte beim Autofahren beibrachte. Als der Sohn kurz vor 18 stand und den Führerschein machen wollte, war klar, dass ich meine eigenen Erfahrungen an ihn weiter reichen wollte.

Wir üben mal Auto fahren …

Auto fahren auf dem Land in den frühen Siebziger-Jahren, auf Feldwegen, ist etwas anderes als in der Stadt zur Jahrtausend-Wende. Da kannst Du es nicht wagen, mit einem Fahranfänger ohne Führerschein auf eine öffentliche Fläche zu fahren. Feldwege sind für Privat-PKWs auch gesperrt – was also tun?

Ich hatte ganz fix eine Idee – in einem Stadtteil meines Wohnorts gibt es ein Industriegebiet mit Baumärkten, Wertstoff-Hof, Autohändlern, etc. Und dort war damals, ganz am Rand, noch ein aufgegebenes Industriegebäude mit großem Hof, abfallender Rampe für Ladeflächen etc. Es wuchsen bereits Büsche auf dem asphaltierten Hof, das Gebäude musste bereits längere Zeit ungenutzt sein. Das Gelände war auch nicht abgesperrt, man konnte mit einem PKW problemlos auf den Hof fahren und seine Runden drehen.

Ich habe also den Filius auf den Beifahrersitz gepackt und bin mit ihm an einem Samstag Mittag zu dieser Industriefläche gefahren. Dann habe ich ihm die Bremse, Kupplung, Gaspedal, Blinker und die Schaltung erklärt und ihn auf den Fahrersitz gesetzt. Dann durfte er mit mir auf dem Beifahrersitz anfahren, bremsen, und auf dem Hof, was ja eine private Fläche war, fahren üben. Auf einer abschüssigen Rampe konnten wir das Anfahren üben, und Büsche sowie bestimmte Parkbuchten ermöglichten sogar das rückwärts Einparken zu üben.

Das haben wir erinnerungsmäßig an zwei Samstagen jeweils eine Stunde geübt, so dass der Sohn ein Gefühl für das Fahrzeug und das Fahren bekam und in der Fahrstunde sofort starten konnte. Ich hatte ihn auch auf den Parkplatz eines nahen Baumarkts gelotst, der am Samstag-Nachmittag geschlossen war. Dort konnte der Sohn zudem rückwärts in Buchten einparken üben.

So vorbereitet gelang es dem jungen Mann mit einer Fahrschule einen Deal abzuschließen, mit wenig Fahrstunden auf dem Weg zum Führerschein zu starten. Der Fahrlehrer meinte nur "probieren wir es einfach mit deutlich weniger Fahrstunden als üblich, wenn Du durchfällst, musst Du halt nachschulen". Erinnerungsmäßig schaffte der Sohn aber die theoretische Prüfung sehr schnell und die praktische Fahrprüfung war irgendwo nach 10 – 14 Fahrstunden beim ersten Durchlauf geschafft.

Sohn hat Führerschein und bekommt das Auto

So ganz genau bekomme ich es nicht mehr zeitlich auf die Reihe. Vermutlich hat der Sohn Freitags den Führerschein erworben und auch direkt ausgehändigt bekommen. Irgendwo hatte einer seiner Kumpels auch ein Fest, und Sohn fragte, ob sie unsere Biergarnitur mit Tisch und zwei Bänken haben dürfen. War kein Problem, und Sohn wollte die Teile schnell mal mit dem Familienauto im Ort zum Kumpel bringen.

Ich erinnere noch genau: Die Biergarnitur war im Kofferraum mit umgeklappten Rücksitz, offener Heckklappe und einer roten Fahne am herausragenden Teil im Auto verstaut. Meine Frau meinte noch "Du fährst die Biergarnitur direkt zu deinem Freund, lädst ab und kommst nach Hause. Keine Spritztour mit deinen Freunden, verstanden? …".

Die erste Beule im Auto

Ich bin dann hoch in mein Büro gegangen, um noch einige Sachen zu erledigen und hatte Sohn, Auto, Führerschein und Bierbank schon vergessen, als ich meine Frau die Treppe hochkommen hörte. "So, nun hast Du schon die erste Beule am Auto" scholl es mir entgegen – dabei wähnte ich mich total unschuldig. Auf meinen verdutzten Blick korrigierte sie "Sohn hat schon die erste Beule ins Auto gefahren".

Mein Frage war: "Ist ihm oder jemand anderem was passiert?", was sie verneinte. Also bin ich – erinnerungsmäßig doch arg entspannt – aus dem Büro die Treppe runter in die Garage gestiefelt. Sohn stand mit betretenem Gesicht am Auto und ich erwartete schon einen größeren Schaden.

Aber es stellte sich heraus, dass der Kunststoff-Stoßfänger hinten rechts lediglich nach innen eingedellt war. Sohn war beim rückwärts Fahren leicht an eine Betonwand gekommen – der Wand war nichts passiert, nur die Stoßstange hatte eine faustgroße Delle. Was habe ich gemacht?

Ich habe den Stoßfänger am Heck des Autos mit den Befestigungsschrauben und Clips gelöst. Dann habe ich ein Brett genommen und auf den Boden gelegt, um die Stoßstange mit der Beule drauf zu legen. Ein Föhn aus dem Bad sorgte dann mit sehr heißer Luft dafür, dass der Kunststoff an der Beule etwas weicher wurde. Nach wenigen Minuten habe ich den Gummihammer aus meiner Fliesenleger-Werkzeugkiste genommen und kräftig auf den Buckel der am Innenrand des Stoßfängers sichtbaren Beule gehauen.

Das Kunststoff sprang in seine alte Form zurück und ich habe dann den Stoßfänger wieder am Heck des Autos montiert. Hat ca. zwei Stunden gedauert und ich meinte zum Sohn "Ok, Du hast deine erste Beule ins Auto gefahren, kann passieren, lasse es eine Warnung sein, besser aufzupassen. Einen Schuss hattest Du frei, den hast Du jetzt abgeräumt." Damit war für mich der Fall erledigt, auch in meinen Autos waren Beulen gefahren worden – so etwas passiert, ist ärgerlich, aber kein Weltuntergang, solange nichts schlimmes sonst passiert.

Fahren wie ein Henker und der Crash

So als Postscript noch der Abschluss. Da Sohn die Fachhochschulreife erwerben und dann studieren wollte, haben wir ihm ein gebrauchtes Auto gekauft. Er hat ein wenig gespartes Geld genommen und ich habe den Rest drauf gelegt, um beim Autodealer fürs Leben (siehe Mein Autodealer fürs Leben) einen Nissan Sunny zu erwerben. Hatte mein Vater mit mir auch so gehandhabt. Schönes Auto übrigens, genau passend für einen jungen Mann (Vorbesitzerin war eine junge Frau).

Eine Woche nach Fahrzeugerwerb fuhren wir, Sohn am Steuer, Familie im Auto, in den Nachbarort zum Pizza Essen. Der Kerl bretterte "wie eine gesenkte Sau" die kurvige Talstraße entlang. Was sagst Du dem Spross in dieser Situation? "Fahr nicht so schnell", fällt nicht so auf fruchtbaren Boden. Ich habe es also anders probiert und gemeint "An deiner Stelle würde ich ja das Gaspedal sachter treten und langsamer fahren, denke an den Benzinverbrauch. Mit deiner Fahrweise hast Du einen irren Verbrauch." Hoffte, dass es fruchtet, denn ich hatte Versicherung, Steuer und laufende Wartungskosten übernommen, Sohn sollte den Kraftstoff aus eigener Tasche bezahlen.

Positiv in Erinnerung geblieben ist, dass vom Sohn und dessen Freunden nie jemand unter Alkoholeinfluss fuhr. Da gab es eine eiserne Regel: Wer fährt, achtet auf Null-Promille. Aber der "flottere Fahrstil" blieb für ca. 14 weitere Tage. Dann kam Sohn Mittags von der Schule (wo er die Fachhochschulreife erwerben sollte) nach Hause und gestand, dass er "am Morgen einen kleinen Auffahrunfall" verursacht habe. Es sei aber nicht viel passiert, der Fiat Panda, auf den er aufgefahren sei, hätte fast nichts und sein Auto nur ein Lampenglas kaputt. Polizei hatte auch den Unfall aufgenommen.

Ich also Versicherung benachrichtigt und Unfallgegnerin angerufen, ob ihr was passiert sei. Sie entschuldigte sich, dass die die Polizei gerufen habe, weil Sohn noch Fahranfänger sei und wohl den Führerschein verliere. Aber als jemand bei ihr auffuhr und vier Kerle aus dem Auto stiegen und meinten "wie kann man auch einfach auf der Straße anhalten", habe sie einfach die Polizei gerufen.

Nun gut, der "klitzekleine Schaden" am Heck des Fiat Panda belief sich erinnerungsmäßig auf 6.000 Euro. Hat die Versicherung bezahlt, und ich habe meinem Sohn eröffnet, dass der die Hochstufung in der Versicherungsprämie bezahlen darf – habe ich am Ende des Tages dann doch nicht gemacht – aber der Rabatt für das Zweitfahrzeug war futsch.

So als "Lehrgeld fürs Leben" haben wir dem Sohn aufgegeben, sich um die Reparatur selbst zu kümmern und beim Autodealer fürs Leben vorbei zu fahren, um einen Kostenvoranschlag zu bekommen. Da kam ein zerknirschter junger Mann zurück, hatte er seinen kleinen Schaden auf 2.500 Euro taxiert bekommen. Ich hatte ihm dann noch einen Karosseriedienst im Ort empfohlen, die dann so erinnerungsmäßig 1.500 Euro haben wollte.

Meine Frau hatte dann noch die Idee, dass er "beim Schrauber um die Ecke" vorbei schauen möge. Der KFZ-Meister meinte, für 450 Euro tauscht er den Scheinwerfer und biegt die Motorhaube, dass sie wieder schließt. Sohn hat eingewilligt, schweren Herzens die 450 Euro bezahlt und hatte einige Tage später wieder ein Auto, mit dem er fahren konnte.

Zum Abschluss: Das war der Schlag mit der Keule zur richtigen Zeit – der Fahrstil änderte sich rapide – eine Nachschulung wurde nicht angeordnet und der Sohn ist ein sehr umsichtiger Fahrer geworden. Muss ich mir glatt eine Scheibe von abschneiden.

Und noch ein Unfall …

Irgendwann ca. 1 – 2 Jahre später klingelte morgens das Telefon im Büro. Sohn war dran "Ich habe einen Unfall, mit hat jemand die Vorfahrt genommen und ich bin ihm rein gefahren – aber ich habe keine Schuld – der Unfall-Gegner ist zwar Rechtsanwalt, hat aber sofort die Schuld auf sich genommen". Mein Gedanke war "ob das gut geht?" – es ging gut. Ich habe den Unfallgegner angerufen und er meinte, ich habe es der Versicherung gemeldet und die Schuld auf mich genommen – da gibt es nichts zu deuteln.

Ich habe das Fahrzeug dann zum Dealer fürs Leben gebracht und gebeten, eine Reparatur abzuschätzen. Es hieß: Muss ein Versicherungsgutachter ran, ist aber wohl an der Grenze zum Totalschaden, da nur noch geringer Restwert. Zu diesem Termin bin ich hin, um die "Einstufung des Fahrzeugs als wirtschaftlicher Totalschaden" abzuwenden.

Zum Termin lief es bereits auf den Punkt zu, da die 200% Reparatur von den Kosten den Restwert überstieg. Da das Auto sonst noch gut war, habe ich gebeten, die Reparaturkosten so zu schätzen, dass kein Totalschaden entstehe, das Fahrzeug aber fachgerecht repariert werden könne. Haben der Werkstattmeister und der Gutachter der Versicherung hin gekriegt.

Als die Reparatur anstand, sagte mir der Meister "da ist aber noch ein nicht reparierter Unfall-Vorschaden". Worauf ich die Vorgeschichte auf den Tisch legte und meinte "reparieren Sie wie mit dem Gutachter abgesprochen". Er meinte "kriegen wir hin" und zwei Tage später stand meinem Sohn das sauber reparierte Auto wieder zur Verfügung.

Hat dann auch noch das Studium ausgehalten – aber als der Sohn dann die erste Stelle als Ingenieur im fernen Baden-Württemberg antreten sollte, sprang das Fahrzeug im Spätherbst oft schlecht an. Damals haben wir kurzentschlossen beim Autodealer fürs Leben ein neues Auto für den Sohn gekauft und das Altfahrzeug für einige Euro in Zahlung gegeben. Lange Geschichte – aber solche Sachen passieren – und im Rückblick bin ich froh, dass diese Kleinigkeiten so abgelaufen sind und nichts größeres passierte. So in 13 Jahren hat der Sohn dann die Gelegenheit, die entsprechenden Erfahrungen an sein Zwillingspärchen weiter zu geben – sofern man dann noch den Führerschein macht.

Artikelreihe:
Vater-Sohn-Ding: Der eigene Führerschein … – Teil I
Vater-Sohn-Ding: Der Führerschein und die erste Beule – Teil II

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