Atom-Tourismus und Atombombentest 1955 in Nevada

In den 50er Jahren führten die Amerikaner Atombombentests in der Wüste von Nevada durch. Hotels und Spielcasinos offerierten Atom-Cocktails – und kürzlich bin ich auf Facebook über ein Foto gestolpert, dass eine Schwimmbad-Szene mit dem Pilz einer  oberirdischen Atombomben-Explosion zeigt. Ist Fake, war aber Grund, mal einen Blick auf den Sachverhalt zu werfen.

Es war nachfolgender Post, der mir auf Facebook angezeigt wurde. Dort ist das betreffende Foto des Schwimmbads mit dem Atom-Pilz im Hintergrund zu sehen. Im Text heißt es, dass sich im Morgengrauen des 17. Juli 1955 ein surrealer Anblick am Pool des Desert Inn gezeigt habe. Schwimmer seien mitten im Sprung erstarrt, als sich am Horizont eine leuchtende Pilzwolke erhob.

Atombombentest in Nevada und ein Fake-Bild

Kinder hätten mit Schwimmreifen im Pool geplantscht und Paar Kaffee getrunken. Ach ja, das Ganze habe um 5:30 am frühen Morgen stattgefunden. In Casinos wären Atomcocktails verkauft worden, Hotels hätten mit Blick auf die Explosionen vom Dach aus geworben, und Touristen hätten für Fotos unter der aufsteigenden Wolke posiert.

Die "phantastische Geschichte" wurde zum 23. Oktober 2025 hier veröffentlicht. Liest sich irgendwie so, wie es in die damalige Zeit passt – obwohl ich an das Jahr 1955 keine Erinnerung habe, ist immerhin 70 Jahre her, und in diesem Jahr wurde ich geboren. Aber es wird trotzdem Zeit für einen Faktencheck.

Die Fakten

Das Desert Inn gab es wirklich. Es war ein Hotel und Spiel-Casino am Las Vegas Strip in Paradise, Nevada, das vom 24. April 1950 bis zum 28. August 2000 in Betrieb war. Also stimmt die Aussage.

Auch ein Atomic Cocktail wurde in den 50er Jahren in den USA angeboten: Es ist ein Champagnercocktail, der in den 1950er Jahren von der Handelskammer von Las Vegas und den örtlichen Casinos populär gemacht wurde. Während dieser Zeit wurde Las Vegas, wegen der in Nevada stattfindenden Atomtests, manchmal als "Atomic City" bezeichnet. Also auch das stimmt.

Im Jahr 1955 gab es die Operation Tea Pot, der der eine Serie von 14 nuklearen Testexplosionen auf dem Atomtestgelände (Nevada Test Site) in der Wüste von Nevada durchgeführt wurden. Der letzte Test fand laut Wikipedia am 15. Mai 1955 statt. Das Testgelände befindet sich ca. 105 km von der Stadt Las Vegas entfernt. Also auch das ist historisch belegt.

Aber ab da wird die "Erzählung doch arg schräg". Das Kinder um 5:30 Uhr am frühen Morgen nicht mehr in ihren Betten liegen, sondern am Pool planschen, ist schon eher unwahrscheinlich. Der letzte Test fand laut Wikipedia am 15. Mai 1955 statt. Demnach gab es nach meinen Recherchen wohl eher keinen Test am 17. Juli 1955.

Schaut man sich das obige Foto an, passt der Atompilz auch nicht zur Tatsache, dass das Atomtestgelände in Nevada ca. 105 km entfernt von Las Vegas liegt. Im Wikipedia-Artikel hier findet sich ein Foto, aufgenommen aus Las Vegas, dass eine pilzförmige Wolke am Horizont zeigt. Aber weit weniger spektakulär, als die Fotomontage auf dem obigen Bild.

Man kann es kurz fassen: Der obige Post auf Facebook ist erstunken und erlogen – ein Produkt der Social Network-Ära, wo Du jeden Mist in die Welt setzen kannst.

Die Welt der 50er und 60er Jahre

Wenn ich mir aber die Fakten wie "Atom-Cocktails", die angeboten wurden, so vor Augen führe, macht es klick bei mir. Ich erinnere mich an meinen Kindheit in den 60er Jahren, als eine arg naive Technikgläubigkeit vorherrschte. Autos sollten bald mit Atomantrieb – ohne tanken – ein Autoleben lang fahren können, Menschen bekommen einen Apparat in den Bauch implantiert, der alle Abfallstoffe wiederverwertet und dem Körper zuführt. Man muss dann nicht mehr essen, sondern jeden Tag einen Pille schlucken, um genügend Nahrung zum Leben zu bekommen.

Und 1970 fliegen wir zum Mond, zum Mars und so weiter. Stand alles in einem Kinderbuch – ich sehe die Bilder heute noch vor mir. Bekanntlich ist es anders gekommen und heute wissen wir über die negativen Folgen der Atombombentests der 50er Jahre. Man kann im Rückblick nur über die Naivität der Leute lächeln.

Aber die damaligen Kinderbücher mit den Atomautos, die Raketenflüge der Amerikaner und Russen etc. müssen unbewusst in mir etwas ausgelöst haben, denn nach einer Elektrikerlehre von 1969 bis 1973 (Der Jung soll was anständiges lernen), bin ich später nicht Papst (Lebenslinien: Fast wäre ich Papst geworden) sondern Ingenieur geworden (Studium 1976-1979). Da bin ich haarscharf am Nobelpreis vorbei geschrammt (Wie ich "fast" am Nobel-Preis vorbei geschrammt wäre …).

Und Raketen bauen, die zum Mond oder Mars fliegen, wollte ich auch. Habe sogar von 1979 bis 1981 in der Luft- und Raumfahrtindustrie gearbeitet – aber mit dem Raketenbau ist es nichts geworden. Ganz meiner Illusionen beraubt, habe ich mich der Computertechnik gewidmet und bin da bis heute als Autor hängen geblieben.

Und beim Schreiben dieser Geschichte hat es "Klick" bei mir gemacht. Denn nun kommt ein Sprung in die Jetztzeit. Mit genau dieser Naivität der 50er Jahre hinsichtlich der Atomtechnik wird heute die Sau "künstliche Intelligenz" durch die Medien getrieben. Künstliche Intelligenz (KI) wird uns die Arbeit abnehmen, E-Mails bearbeiten, Bestellungen abwickeln, Unternehmen führen und, und, und, heißt es.

Ist genau so ein Unsinn wie die Vorstellungen vom Atom-Leben der 50er Jahre. Atomtechnik gibt es noch heute, aber entzaubert und klar mit ihren Risiken umschrieben. Das Gleiche passiert mit dem, was wir heute als "künstliche Intelligenz" vorgesetzt bekommen, da bin ich überzeugt von.

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Eine Antwort zu Atom-Tourismus und Atombombentest 1955 in Nevada

  1. guenni sagt:

    Kommentar eines Blog-Lesers:

    Der Pilz sieht schon arg deutlich nach KI aus…

    Zum Thema Zukunft: Ich bin zwar gut 10 Jahre jünger, wurde aber in meiner Jugend von der Verwandtschaft mit obskurer "Lektüre" versorgt, u.a. Reader Digest Jugendbücher oder Bertelsmann-Publikationen voller Phantasien ;) Meinen weisen Eltern zum Dank habe ich sogar noch einige Exemplare, die sich auch meine Kids schon angeschaut haben (im dortigen Buchregal habe ich sie wiedergefunden) – immer noch aktuell und unverändert, die Themen :D

    Kostprobe aus dem Buch "Die Zukunft", Bertelsmann 1974: Da fahren die Autos von heute zwar nicht mit "Atom im Kofferraum", aber immerhin:

    [Link zum Bild aus Copyright-Gründen nicht gepostet]

    Im Buch gibt es auch noch viele Seiten bzgl. "Atom", aber das Thema Auto hatte einfach eines der besten Bilder. Den Text zu lesen lohnt sich aber auch – aktuell ist das nach 50 Jahren ja wirklich immer noch, und einiges ist nun Realität.

    Der Zeitstrahl für Erfindungen in die Zukunft (!) endet im Buch übrigens noch in den 90ern.

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