Mein Spiegelbild? Astrophysiker Harry Enke arbeitet mit 71 noch Vollzeit

Astrophysiker Harry Enke arbeitet mit 71 noch VollzeitEs war eine Schlagzeile, die mir die Tage in einer Tageszeitung aufgefallen ist. Harry Enke ist 71 Jahre alt, aber noch längst nicht in Rente. Er ist Astrophysiker und leitet am Astrophysikalischen Institut Potsdam eine Abteilung für Supercomputing und E-Science. Derzeit sitzt er auf einer Vollzeitstelle, aufhören will er noch nicht. Da klingelte was, und ich dachte beim Lesen in einen Spiegel zu schauen. Zeit für einen kleinen Beitrag.

In den vergangenen Tagen wurde ja diskutiert, dass unsere Sozialsysteme in finanzielle Schieflage geraten sind und Menschen bis 70 Jahre arbeiten müssten, bis die Rente kommt. Das schafft der Dachdecker nicht, war eine Aussage. Im Rahmen dieser Diskussion las ich dann Beiträge von "Dachdecker"-Berufen, wo Firmeninhaber durchaus für Arbeiten bis 70 plädierten. Aber die Älteren benötigen angepasste Arbeitsplätze, war die Aussage, die der Leistungsfähigkeit angepasst sind. Aus meiner Sicht ein valides Argument.

Arbeiten im Alter

Hier im Blog habe ich mich ja mehrfach mit Arbeiten im Alter, als Rentner noch Geld verdienen müssen etc. befasst (siehe Artikel am Beitragsende). Ja, ich kann verstehen, dass einzelne Menschen mit 65 bis 67 Jahren genug vom Arbeitsleben haben und "in Rente gehen möchten". Und es gibt die Menschen, deren Rente so gering ausfällt, dass sie auch neben der Rente noch arbeiten müssen.

Aber es gibt Menschen, die mit Freude am liebsten bis 100 arbeiten wollen. Wolfgang Krupp, ehemaliger Chef der Textilfirma Trigema, ist erst 2023 mit über 80 Jahren aus der Unternehmensleitung ausgeschieden und machte im Mai 2025 durch einen Suizid-Versuch Schlagzeilen. Im Artikel Wenn die Rente nicht kommen will: Apothekerin mit 102 hatte ich über eine Dame aus Japan berichtet, die auch mit 102 Jahren noch eine Apotheke in Tokyo führt. Alles hat seine Zeit, und irgendwann kommt auch die Rente.

Das ist die Bandbreite dessen, was das Thema "erst mit 70 in Rente" umfasst. Es gibt Menschen, die können nicht bis zu dieser Grenze arbeiten. Und es gibt Menschen, die wollen auch jenseits der gesetzlichen Altersruhegrenze noch arbeiten. Derzeit wird das alles noch "über einen Kamm geschoren", speziell bei Unternehmen.

Mir sind die Fälle im Bekanntenkreis vor Augen, und die Entwicklung, als es auf die Rente zu ging. Ich hatte einen Mitarbeiter im Unternehmen, welches ich 1993 verlassen habe. Der wusste damals schon, wann er "in Rente geht". Ich fand es schlimm, zu wissen, noch 25 und mehr Jahre irgendwo arbeiten zu müssen, wo es keine Freude macht. War für mich der Grund, das Unternehmen zu verlassen. Im Frühjahr 2025 haben wir diese Person beerdigt, verstorben mit 71 Jahren.

Ich habe eine weitere Person vor Augen, die Zeit ihres Lebens (zumindest in der Phase, wo ich sie  kannte) auf den Arbeitgeber geschimpft hat und die Rente mit 60 (wegen Schwerbehinderung) herbeigesehnt hat. Und ich kenne die frustrierenden Geschichten von Bekannten, die positiv oder wenig von ihrer Arbeit berichteten – also zufrieden schienen. Und so 1 1/2 Jahre vor der Rente kippte die Stimmung, weil der Mensch im Unternehmen nicht mehr geschätzt wurde, so dass die Tage bis zur Rente gezählt wurden.

Aber ich kenne auch die Fälle, wo Menschen mit Freude auch über das gesetzliche Renteneintrittsalter hinaus arbeiten. Am Ende dieses Beitrags gibt es Links auf weitere Beiträge, wo Menschen genau das tun und bis ins hohe Alter arbeiten. Und damit sind wir Thema dieses Beitrags angelangt.

Astrophysiker Harry Enke arbeitet mit 71 noch Vollzeit

Es war die Geschichte von Harry Enke, der als Astrophysiker am Astrophysikalischen Institut Potsdam eine Abteilung für Supercomputing und E-Science leitet und mit 71 Jahren noch auf einer Vollzeitstelle arbeitet.

Astrophysiker Harry Enke arbeitet mit 71 noch Vollzeit
Harry Enke arbeitet mit 71 noch Vollzeit

Obiges Foto zeigt Harry Enke vor seinen Institutsräumen. Ich verzichte auf eine Verlinkung, weil der Artikel nur mit Abonnement gelesen werden kann. Aber in einem Beitrag war die Rede von "Astrophysik ist auch mein Hobby", als Begründung, warum Herr Enke auch noch mit 71 Jahren eine Vollzeitstelle in der Wissenschaft bekleidet und arbeitet. Ich hatte Zugriff auf den gesamten Artikeltext und kam aus den deja-vue-Erlebnissen nicht mehr heraus.

Harry Enkes Berufsweg als Astrophysiker war nicht so vorgezeichnet. Der junge Enkes fing als Werkzeugmacher an. Dann hat er hat Festkörperphysik studiert. Während seiner Promotion hat er im Corporate Design gearbeitet, und Computerprogramme für Office-Anwendungen geschrieben.

Meine Wenigkeit ist 1969 als Elektroinstallateurs-Lehrling ins Berufsleben gestartet, wahnsinnig spannend, aber mit argen Höhen und Tiefen. Hätte vielleicht auch ein KFZ-Mechaniker werden können (wie im Beitrag Meine „Schrauberjahre"-Teil 1: Der Führerschein … durchschimmert).

Warum es dann doch kein KFZ-Mechaniker wurde und wie mein Berufsleben verlief, habe ich im Beitrag Jung soll was anständiges lernen skizziert. Nach der Lehre habe ich meine Fachhochschulreife nachgeholt. Warum das so lief, hatte ich im Beitrag Lebenslinien: Fast wäre ich Papst geworden angerissen – Wechselfälle des Lebens.

Im Anschluss habe ich nach meinem Wehrdienst keine Physik oder Astrophysik, sondern Physikalische Technik studiert. Die Ingenieurtechnik an einer Fachhochschule lag mir näher als theoretische Physik und Astrophysik, auch wenn es mich interessiert hätte.

Die Ingenieure der physikalischen Technik sind die Leute, die oft die Instrumente für Astronomen und Physiker bauen. Seinerzeit hätte ich vielleicht in der Forschung landen können, wie ich augenzwinkernd im Beitrag Wie ich "fast" am Nobel-Preis vorbei geschrammt wäre … verraten habe.

Aber die Lebenswege von Enke und mir haben sich doch etwas anders entwickelt. Er fuhr eines Tages an seiner heutigen Arbeitsstelle vorbei und dachte "da will ich arbeiten", bewarb sich und bekam die heutige Stelle. Für mich kamen als junger Ingenieur weder Post noch irgend ein Institut oder eine Behörde als Arbeitgeber in Frage. Ich wollte hoch hinaus, mit Raketen zu den Sternen fliegen (oder das möglich machen), und was bewegen. Ach ja, Science Fiction habe ich – wie Enke – auch gerne gelesen. Aber Theorie war nichts für mich, und Geduld schon zwei Mal nicht.

Hat also mit den Sternen nicht ganz geklappt, und ich habe nach 1,5 Jahren den Exit gewählt, dann bin ich "in der Informatik, bei Rechnern und in der Software-Entwicklung" gelandet, was mich mehr faszinierte (und 1981 "brandheißer Scheiß" war, Steve Jobs hat damals Apple, und Bill Gates Microsoft, zum Erfolg geführt). Die Tätigkeit in der Informatik hat die Grundlagen für einen weiteren Lebensweg gelegt, denn 1993 hatte ich genug vom Arbeitsleben als Angestellter, hängte einen Job im unteren Management an den Nagel und wollte (flapsig gesprochen) "reich und berühmt" werden.

Denn ich machte mein Hobby zum Beruf, nämlich das Schreiben von Computerbüchern als freiberuflich tätiger Autor. Hier kommt wieder die Berührung mit Enke, der Astrophysik als Hobby bezeichnet. Ich sage schon mal "ich habe mein Hobby zum Beruf gemacht, und musste seit dieser Zeit nie wieder arbeiten". Gut, Computerbücher sind seit Jahren tot und tragen nicht mehr zum Lebensunterhalt bei. Aber ich bin am 1. Oktober 2025 seit 32 Jahren erfolgreich selbständig. Seit 18 Jahren bin ich auch als Blogger unterwegs und kann seit 2015 sogar davon leben.

Im Gegensatz zu Harry Enke habe ich mit 67 meine Rente beantragt (war ein eigenes Abenteuer als Künstler, siehe Ich Pseudo-Rentner …), bin mit 70 aber immer noch selbständig und finanziere mich (oder meine "Betriebsrente") über meine Blogs. Ans Aufhören mag ich, wie Harry Enke, solange noch nicht denken, wie es möglich ist, ich es noch kann und es Spaß macht.

Und damit haben wir die gesamte Bandbreite von "noch arbeiten müssen" bis "auch im Alter noch arbeiten dürfen und was sinnvolles tun". Man sollte also nicht alle Menschen über einen Kamm scheren. Aber ich blicke – so wie vermutlich auch Harry Enke – mit Dankbarkeit und Freude auf mein Berufsleben zurück und weiß es zu schätzen, auch mit 70 einer sinnvollen Beschäftigung nachgehen zu dürfen. Auch wenn meine Frau sagt: "Kannst Du nicht endlich Rentner sein, den Keller aufräumen und dann mit Pantoffeln im Wohnzimmersessel Zeitung lesen".

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